BRAO §§ 45 I Nr. 1, III, 113; BORA § 3 II 2; SGB V §§ 4 I, 77 V, 106 IV; SGG § 78

Sozietätserstreckung des Tätigkeitsverbots wegen nichtanwaltlicher Vorbefassung

BGH, Urteil vom 03.11.2014 - AnwSt (R) 4/14

Fundstelle: NJW 2015, S. 567 ff.

1.

Angehöriger des öffentlichen Dienstes im Sinne von § 45 I Nr. 1 BRAO ist auch, wer als Nichtbeamter (und nicht dauerhaft im öffentlichen Dienst Angestellter) im Rahmen der Befugnisse der Behörde, für die er auftritt, hoheitlich tätig wird, selbst wenn diese Tätigkeit ehrenamtlich ist; das gilt auch für den Vorsitzenden bzw. stellvertretenden Vorsitzenden des Beschwerdeausschusses einer kassenärztlichen Vereinigung.

2.

Die Erstreckung des Tätigkeitsverbots nach § 45 I BRAO auf einen Sozius (§ 45 III BRAO) setzt voraus, dass dieser die tatsächlichen Umstände kennt (bzw. kennen muss), die das Tätigkeitsverbot begründen.

3.

Das Einverständnis (hier: der kassenärztlichen Vereinigung) mit der Mandatserteilung im Sinne von § 3 II 2 BORA schließt auch im Fall der Sozietätserstreckung gem. § 45 III BRAO einen Verstoß gegen das Tätigkeitsverbot nicht aus.

Leitsatz der Redaktion der NJW

FAO §§ 14 a, 14 d Nr. 2

Praktische Erfahrungen für die Fachanwaltschaft für Verkehrsrecht

BGH, Urteil vom 27.10.2014 - AnwZ (Brfg) 85/13

Fundstelle: NJW-Spezial 2014, S. 767

Für den Nachweis praktischer Erfahrungen auf dem Gebiet des Verkehrsrechts können nur solche versicherungsrechtlichen Fälle verwertet werden, die einen Bezug zum Straßenverkehr aufweisen.

Leitsatz des Autors der NJW Spezial

BRAO §§ 43 b, 73 II Nr. 1, 4, 112 a, 112 c; VwGO § 42 I; BORA § 6 I

Anwaltliche Schockwerbung auf Kaffeetassen

BGH, Urteil vom 27.10.2014 - AnwZ (Brfg) 67/13

Fundstelle: NJW 2015, S. 72 ff.

1.

Geht der Bescheid einer Rechtsanwaltskammer über rein präventive Auskünfte hinaus, indem darin die Rechtswidrigkeit einer beabsichtigten Maßnahme festgestellt und ein konkretes Verbot ausgesprochen wird, ist dieser Bescheid als Verwaltungsakt anfechtbar.

2.

Die Grenze zulässiger anwaltlicher Werbung ist überschritten, wenn sie darauf abzielt, durch ihre reißerische und / oder sexualisierende Ausgestaltung die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen, mit der Folge, dass der Informationswert in den Hintergrund gerückt wird oder gar nicht mehr erkennbar ist.

Leitsatz des der Redaktion der NJW

Weiterführen einer Fachanwaltsbezeichnung nach Wiederzulassung zur Anwaltschaft

GG Art. 12 I; BRAO § 43 c; VwVfG § 43 II; FAO §§ 2, 3, 4, 15, 17

BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats), Beschluss vom 22.10.2014 - 1 BvR 1815/12

Fundstelle: NJW 2015, S. 394 ff.

1.

Durch das anwaltliche Berufsrecht wird derzeit nicht sichergestellt, dass Fachanwälte auf dem betreffenden Rechtsgebiet überhaupt oder in nennenswertem Umfang beruflich tätig werden.

2.

Gegenwärtig gibt es keine gesetzliche oder satzungsrechtliche Regelung, wonach der einmal erbrachte Qualifikationsnachweis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung mit dem Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft oder dem bloßen Zeitablauf seine Wirksamkeit verlieren würde.

3.

Ein aus der Anwaltschaft ausgeschiedener Rechtsanwalt (hier: durch Aufnahme einer unbefristeten Tätigkeit im öffentlichen Dienst) hat mangels entgegenstehender gesetzlicher oder satzungsrechtlicher Regelungen einen Anspruch darauf, die Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung nach erneuter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ohne Erfüllung der für die erstmalige Gestattung zu ihrem Führen maßgeblichen Voraussetzungen (Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse und besonderer praktischer Erfahrungen) zu erhalten, sofern er die Fortbildungsverpflichtung nach § 43 c IV 2 BRAO, § 15 FAO erfüllt hat.

Leitsatz der Redaktion der NJW

Anmerkung:

Die Beschwerdeführerin begehrte die Feststellung, dass sie im Falle der erneuten Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerruflich berechtigt sei, die Bezeichnung „Fachanwältin für Verwaltungsrecht“ zu führen, soweit sie in der Zwischenzeit ihrer Fortbildungspflicht gem. § 15 FAO nachgekommen sei. Die hierauf gerichtete Klage wies der AGH NRW mit Urteil vom 27. Juli 2011 ab, da durch das Erlöschen der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft auch die Gestattung zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung endgültig erloschen sei. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung wies der BGH mit Urteil vom 2. Juli 2012 zurück. Nach Auffassung des BGH habe sich mit Erlöschen der Anwaltszulassung die Befugnis der Beschwerdeführerin zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung gem. § 43 Abs. 2 VwVfG „auf andere Weise“ erledigt, da die Erlaubnis ohne die Rechtsanwaltseigenschaft der Beschwerdeführerin nicht mehr geeignet sei, rechtliche Wirkungen zu entfalten.

Diese Entscheidung des BGH hat das BVerfG aufgehoben und die Sache an den BGH zur abschließenden Entscheidung zurückverwiesen.

Auftreten eines Rechtsassessors in einem gerichtlichen Termin

OLG Celle, Beschluss vom 28.08.2014 – 10 WF 144/14

Fundstelle: NJW-Spezial 2014, S. 671

Ein Rechtsassessor darf in einem gerichtlichen Termin lediglich dann auftreten, wenn dies nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht.

Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

BRAO §§ 43a Abs. 3 S. 1, 113 Abs. 1

Rat zu „robustem" Gespräch als anwaltliche Berufspflichtverletzung

AnwG Köln, Urteil vom 25.8.2014-10 EV 113/12

Fundstelle: NJW 2015, S. 383

 

1.

§ 43 a Abs. 3 S. 1 BRAO zeigt mit seiner „insbesondere"-Aufzählung, dass auch weitere Fallgruppen möglich bleiben.§ 43 a Abs. 3 S. 1 BRAO zeigt mit seiner „insbesondere"-Aufzählung, dass auch weitere Fallgruppen möglich bleiben.

2.

Empfiehlt ein Rechtsanwalt seinem Mandanten, bei zukünftigen tätlichen Angriffen des Gegners seinerseits mit einemtätlichen Angriff zu reagieren, seine berufsrechtlich sanktionierbare Unsachlichkeit dar. 

 

Leitsatz der Redaktion der NJW

 

 

UWG §§ 3, 5 I 2 Nr. 3

Unzulässige Werbung mit Städtenamen

LG Hamburg, Urteil vom 07.08.2014 - 327 O 118/14

Fundstelle: NJW-Spezial 2014, 670

Wirbt eine Sozietät mit der Bezeichnung „Hamburg, Berlin, München, Karlsruhe, Leipzig ( ... ) Rechtsanwälte vertreten Ihren Fall“, wird damit suggeriert, dass diese Kanzlei an allen genannten Orten eine Niederlassung hat.

Leitsatz der Schriftleitung der NJW-Spezial

BRAO § 43 b; BORA § 7 I, II; UWG § 4 Nr. 11

Zulässige Anwaltswerbung mit Spezialisierung - Spezialist für Familienrecht

BGH, Urteil vom 24.07.2014 - I ZR 53/13

Fundstelle: NJW 2015, S. 704 ff.

1.

Entsprechen die Fähigkeiten eines Rechtsanwalts, der sich als Spezialist auf einem Rechtsgebiet bezeichnet, für das eine Fachanwaltschaft besteht, den an einen Fachanwalt zu stellenden Anforderungen, besteht keine Veranlassung, dem Rechtsanwalt die Führung einer entsprechenden Bezeichnung zu untersagen, selbst wenn beim rechtsuchenden Publikum die Gefahr einer Verwechslung mit der Bezeichnung „Fachanwalt für Familienrecht“ besteht.

2.

Der sich selbst als Spezialist bezeichnende Rechtsanwalt trägt für die Richtigkeit seiner Selbsteinschätzung die Darlegungs- und Beweislast.

Leitsatz des Gerichts

BRAO §§ 14 III Nr. 3, 29 a II, 30 I, II

Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten

BGH, Beschluss vom 23.07.2014 - AnwZ (Brfg) 45/13

Fundstelle: NJW-Spezial 2014, S 670 f.

Ist ein Anwalt von der Pflicht befreit worden, in Deutschland eine Kanzlei zu unterhalten, muss er seiner Rechtsanwaltskammer zwingend einen Zustellungsbevollmächtigten benennen, der im Inland wohnt oder dort einen Geschäftsraum hat.

Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

ZPO §§ 85 II, 233; BRAO § 50 V

Anwaltspflichten bei ausschließlich elektronischer Aktenführung

BGH, Beschluss vom 09.07.2014 - XII ZB 709/13

Fundstelle: NJW 2014, S. 3102 ff.

1.

Wird die Handakte eines Rechtsanwalts allein elektronisch geführt, muss sie ihrem Inhalt nach der herkömmlich geführten entsprechen. Sie muss insbesondere zu Rechtsmittelfristen und deren Notierung ebenso wie diese verlässlich Auskunft geben können und darf keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als ihr analoges Pendant.

2.

Der Rechtsanwalt, der im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung - hier der Einlegung der Beschwerde - mit einer Sache befasst wird, hat dies zum Anlass zu nehmen, die Fristvermerke in der Handakte zu überprüfen. Auf welche Weise (herkömmlich oder elektronisch) die Handakte geführt wird, ist hierfür ohne Belang.

Leitsatz des Gerichts

BRAO § 48 II; ZPO § 121 IV

Aufhebung der Beiordnung

LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.05.2014 – 10 Ta 901/14

Fundstelle: NJW-Spezial 2014, S. 543

Erhält der einem Mandanten beigeordnete Anwalt trotz mehrerer Versuche keine Rückmeldung von diesem, liegt hierin ein wichtiger Grund zur Aufhebung der Beiordnung, wenn der Mandant direkt mit dem Gericht Kontakt hält.

Leitsatz des Autors der Schriftleitung der AGS

VVG §§ 125, 127 I, 129; MediationsG §§ 1, 2 I, II; BGB § 307;
UWG §§ 4 Nr. 11, 5 I Nr. 1, 5a, 12 III; UKlaG §§ 1, 3 I 1 Nr. 2, 7

Unzulässige „Mediationsklausel“ in der Rechtsschutzversicherung

LG Frankfurt a. M., Urteil vom 07.05.2014 - 2-06 O 271/13 (nicht rechtskräftig)

Fundstelle: NJW 2014, S. 2204 ff.

  1. Eine Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer Rechtsschutzversicherung, wonach der Versicherer für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung nur die Kosten eines von ihm selbst ausgewählten Mediators übernimmt, verstößt schon deshalb gegen das Recht, den Mediator frei zu wählen (§ 2 I MediationsG), weil die Auswahl des Mediators durch den Versicherer erfolgt.

  2. Gleiches gilt für eine Klausel, die Kostenübernahme für die gerichtliche Interessenwahrnehmung nur gewährt, wenn der Versicherte zuvor ein Streitschlichtungsverfahren mit einem vom Versicherer ausgewählten Mediator durchführt.

  3. Die Bezeichnung eines Versicherungstarifs, der in bestimmten Leistungsarten die Kostenübernahme von der Durchführung eines Mediationsverfahrens mit einem vom Versicherer bestimmten Mediator abhängig macht, als „Rechtsschutzversicherung“ ist nicht irreführend, weil Mediationsleistungen - zumindest als Annexleistungen - prinzipiell in den Bereich einer Rechtsschutzversicherung fallen.

  4. Ein Tarif in der Rechtsschutzversicherung, wonach der Versicherer sich die Auswahl desjenigen vorbehält, der ein obligatorisches Streitschlichtungsverfahren durchführt, verstößt gegen die Grundsätze der freien Wahl des Mediators und der Freiwilligkeit des Mediationsverfahrens (§ 2 I, II MediationsG); die Bezeichnung eines solchen Verfahrens als „Mediation(-sverfahren)“ bzw. der streitschlichtenden Person als „Mediator“ benachteiligt den Versicherungsnehmer unangemessen.

Leitsatz der Redaktion der NJW

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