FAO §§ 4 Abs. 3, 7

Das Fachgespräch als (nur) ergänzende Beurteilungsgrundlage

BGH, Beschl. v. 30.05.2012 - AnwZ (Brfg) 3/12 Fundstelle: NJW-Spezial 2012, S. 606

Das Fachgespräch darf nicht der eigenständigen Prüfung der fachlichen Qualifikation eines Bewerbers dienen, sondern hat lediglich als ergänzende Beurteilungsgrundlage für die Fälle Bedeutung, in denen die schriftlichen Unterlagen nicht ausreichen, der Nachweis im Rahmen eines Fachgesprächs aber noch aussichtsreich erscheint.

 

Leitsatz des Gerichts

VwGO § 42

Kein Anspruch auf Tätigwerden einer Rechtsanwaltskammer

VG Köln, Gerichtsbescheid vom 24.05.2012 – 1 K 4750/11 Fundstelle: NJW Spezial 2012, S. 414

Einem Beschwerdeführer, der gegenüber der Rechtsanwaltskammer einen Berufsverstoß eines Anwalts rüge, steht kein Klagerecht auf die Vornahme bestimmter Handlungen zu.

Leitsatz des Gerichts

BGB §§ 203, 675 Abs. 1; ZPO § 287; HGB § 128; BRAO §§ 51 a Abs. 2 S. 1; 59 a Abs. 1 S. 1; BRAO a. F. § 51 b

Akzessorische Haftung berufsfremder Sozien einer gemischten Anwaltssozietät  für berufliche Fehler

BGH, Urt. v. 10.05.2012 – IX ZR 125/10 (OLG Düsseldorf) Fundstelle: NJW 2012, S. 2435 ff.

 

1.   Eine Rechtsanwaltssozietät ist auch dann verpflichtet, über die Erfolgsaussichten eines von der Mandantin beabsichtigten Rechtsstreits zu belehren, wenn das Mandat von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung erteilt worden ist, deren Geschäftsführer und Gesellschafter selbst Rechtsanwälte und Mitglieder der beauftragten Sozietät sind. Auch in diesem Fall kann vermutet werden, die Mandantin hätte sich bei pflichtgemäßer Belehrung beratungsgerecht verhalten und wäre dem anwaltlichen Rat gefolgt.

2.   Wird ein Anwaltsvertrag mit einer Sozietät geschlossen, der neben Rechtsanwälten auch Steuerberater angehören, so haften für einen Regressanspruch wegen Verletzung anwaltlicher Beratungspflichten auch diejenigen Sozien persönlich, die selbst nicht Rechtsanwälte sind.

Leitsatz des Gerichts

BRAO § 49 b Abs. 2; RVG §§ 4 a, 4 b; BGB §§ 134, 138 Abs. 1

Prozessfinanzierungsvertrag mit Anwälten als Umgehung des Verbots von Erfolgshonoraren

OLG München, Schlussurt. v. 10.05.2012 – 23 U 4635/11 Fundstelle: NJW 2012, S. 2207 ff. Fundstelle: NJW 2012, S. 2207 ff.

Ein Prozessfinanzierungsvertrag stellt eine unzulässige Umgehung des Verbots von Erfolgshonoraren nach § 49 b Abs. 2 BRAO dar, wenn die mit der Führung des Prozesses mandatierten Rechtsanwälte mit der prozessfinanzierenden GmbH eine stille Gesellschaft gegründet haben und die Erfolgsbeteiligung ohne Auskehrung an die prozessfinanzierende GmbH unmittelbar unter den Rechtsanwälten als stillen Gesellschaftern aufgeteilt wird.

Leitsatz des Gerichts

ZPO §§ 7 Abs. 1 S. 1, 519 Abs. 4; BRAO §§ 13, 14 Abs. 4, 150, 155, 156 Abs. 2

Wirksamkeit der Berufungseinlegung nach Berufsverbot

BGH, Beschl.  v. 24.04.2012 – VIII ZB 111/11 (LG Stuttgart) Fundstelle: NJW 2012, S. 2592 f.

1.    Zur Wirksamkeit einer Rechtshandlung (hier: Rechtsmitteleinlegung) durch einen Rechtsanwalt, dem die Zulassung durch sofort vollziehbaren, aber noch nicht bestandskräftigen Widerruf entzogen worden ist.

2.    Die Postulationsfähigkeit eines Rechtsanwalts, der entgegen einem Berufs- oder Vertretungsverbot auftritt, endet erst mit seiner Zurückweisung durch das Gericht gem.           § 156 Abs. 2 BRAO.

Nichtamtlicher Leitsatz

Vertretung in eigener Sache

OLG München, Beschl. v. 24.04.2012 - 11 W 627/12

Ein Rechtsanwalt, der sich als Naturalpartei in eigener Sache vor einem auswärtigen Prozessgericht selbst vertritt, hat in aller Regel einen Anspruch auf Erstattung seiner Reisekosten nach den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

Ein Rechtsanwalt ist nämlich nicht gehalten, darauf zu verzichten, sich vor einem auswärtigen Prozessgericht selbst zu vertreten und stattdessen einen dort zugelassenen Rechtsanwalt mit seiner Prozessvertretung zu beauftragen. Die Regel, wonach einer auswärtigen rechtskundigen Partei zuzumuten ist, einen Prozessbevollmächtigten am Gerichtsort zu beauftragen, gilt insoweit nicht, weil es im berechtigten und vorrangigen Interesse des Rechtsanwalts liegt, sein Anliegen persönlich im Rechtsgespräch in der mündlichen Verhandlung vorzubringen. Damit ist gleichzeitig die Prozessführung in eigener Sache vor dem auswärtigen Gericht als Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzusehen. Für den zum Insolvenzverwalter bestellten oder in sonstiger Weise als Partei kraft Amtes tätigen Rechtsanwalt gilt dies nicht in gleicher Weise, da hier der Grad der persönlichen Betroffenheit geringer ist als bei einem als Naturalpartei prozessierenden Anwalt.

Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass der Rechtsanwalt als Kläger in jedem Fall - selbst wenn man die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten nach dem RVG verneinen würde - Anspruch auf Erstattung von Parteireisekosten nach dem JVEG gehabt hätte, da sein persönliche Erscheinen angeordnet wurde.

Ohne Belang ist auch, dass die durch die Einschaltung eines Terminsvertreters anfallenden Kosten deutlich niedriger gewesen wären als die zur Erstattung anstehenden Reisekosten. Die erstattungsfähigen Reisekosten des nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts sind nämlich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht notwendig auf diejenigen Kosten beschränkt, die durch die Beauftragung eines Terminsvertreters entstanden wären.

BRAO §§ 43, 43 a Abs. 4; BORA § 3 Abs. 2 S. 1, Abs. 3

 

Keine Interessenkollision bei Sozietätswechsel von nur mittelbar vorbefassten Rechtsanwälten

AnwGH München, Beschl. v. 24. 04.2012 – BayAGH II-16/11  Fundstelle: NJW 2012, S. 2596 ff.

 

Wenn ein Rechtsanwalt ledglich aus früherer partnerschaftlicher Verbindung mit einem ehemaligen Kollegen mittelbar weiterhin einem Tätigkeitsverbot nach § 3 Abs. 2 BORA unterliegt, so ist ein anderer Rechtsanwalt seiner neuen anwaltlichen Gemeinschaft nicht durch § 3 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 BORA gehindert für den Gegner des früheren Mandanten tätig zu sein.

BRAO § 43 a Abs. 4; BORA § 3 Abs. 1 1. Alternative

Vertretung widerstreitender Interessen im Familienrecht

BGH, Urt. v. 23.04.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11 (AnwGH Nordrhein-Westfalen) Fundstelle: nicht veröffentlicht

1.   Die Vertretung des Vaters im Zugewinnausgleichsverfahren und des volljährigen Sohnes im Unterhaltsverfahren, jeweils gegen die Mutter, betrifft dieselbe Rechtssache.

2.   Die Interessen, die der Anwalt im Rahmen des ihm erteilten Auftrags zu vertreten hat, sind objektiv zu bestimmen.

3.   Liegen objektiv widerstreitende Interessen vor, ist zu prüfen, ob der typisierte Interessenkonflikt im konkreten Fall tatsächlich auftritt (konkret objektive Betrachtung).

Leitsatz des Verfassers des KammerReports

 

Anmerkung:

In dem dem BGH zur Prüfung vorliegenden Sachverhalt vertrat eine Anwältin den Ehemann und Vater in einem Scheidungs- und Zugewinnausgleichsverfahren und den gemeinsamen volljährigen Sohn in einem Unterhaltsverfahren jeweils gegen die Ehefrau und Mutter. Streitig war, ob die Anwältin damit widerstreitende Interessen wahrnahm.

Der BGH stellt zunächst fest, dass das Zugewinnausgleichsverfahren und das Unterhaltsverfahren dieselbe Rechtssache betrifft. Sodann führt er aus, dass die Interessen, die die Anwältin im Rahmen des ihr erteilten Auftrags zu vertreten hat, objektiv zu bestimmen sind. Demnach stehen die Interessen eines unterhaltsberechtigten volljährigen Kindes im Widerspruch zu denjenigen seiner Eltern, die beide Unterhalt schulden und anteilig haften. Dieser objektiv vorhandene Interessenwiderspruch lasse sich auch nicht durch den schlichten Hinweis auflösen, dass der Mandant mit der Mandatserteilung selbst bestimmen könne, in welche Richtung oder in welchem Umfang die der Anwältin seine Interessen wahrnehmen möge. Die Anwältin, die ein volljähriges Kind bei der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen berate müsse vielmehr darauf hinweisen, dass sich der Anspruch gegen beide Elternteile richte. Bei gleichzeitiger Vertretung eines Elternteils im Rahmen einer unterhalts- oder ehegüterrechtlichen Auseinandersetzung sei deshalb schon dieser Hinweis an das volljährige Kind geeignet, das Interesse des gleichzeitig vertretenen Elternteils zu beeinträchtigen. Auch dies schließe deshalb eine gemeinsame Vertretung eines Elternteils und des volljährigen Kindes im Rahmen des Kindesunterhalts grundsätzlich aus.

In einem zweiten Schritt prüft der BGH sodann jedoch, ob dieser anhand objektiver Kriterien festgestellte Interessenkonflikt im konkreten Fall tatsächlich aufgetreten ist.

Demnach vertrat die Anwältin keine widerstreitenden Interessen, da ihr Mandat von vornherein von dem volljährigen Kind auf die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen nur gegen die Mutter beschränkt war, der Vater bis dahin schon alleine den Unterhalt für den Sohn leistete und bereit war, weiter zu leisten. Zudem wussten Vater und Sohn von Beginn an wechselseitig von der Beauftragung der Klägerin und des ihr jeweils erteilten Mandats.

FAO § 5 f

 

Tätigkeit eines Fachanwaltsanwärters als „Zweitverteidiger“

 

AnwGH Jena, Urt. v. 21.03.2012 – AGH 2/10 Fundstelle: NJW Spezial 2012, S. 478 f.

Tritt ein Anwalt in einem Hauptverhandlungstermin als „Zweitverteidiger“ auf, dient auch diese Tätigkeit als Nachweis für die von § 5 f FAO insgesamt geforderten 40 Hauptverhandlungstage.

 

Leitsatz des Gerichts

BRAO § 43 a Abs. 4; BGB §§ 675, 611, 134, 138; StGB § 356

Abtretung einer titulierten Forderung und Interessenkollision

OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.01.2012 – 24 U 216/10 Fundstelle: NJW 2012, S. 1892 ff.

1.    Ein Prozessmandat ist mit dem Abschluss einer Instanz beendet, wenn von dem Rechtsanwalt zur Erfüllung seines Auftrags weitere Handlungen nicht mehr zu erwarten sind.

2.    Der bisher einem einzelnen Rechtsanwalt erteilte Auftrag erstreckt sich mit dessen Eintritt in eine Sozietät nicht automatisch auf deren Mitglieder; dazu bedarf es zumindest einer stillschweigenden Einbeziehung der Sozien in das bisherige Einzelmandat.

3.    War der die Sache bearbeitende Rechtsanwalt nur kurzzeitig Mitglied der Sozietät  und war der später in der Angelegenheit tätige Sozius tatsächlich nicht in die Sachbearbeitung einbezogen, liegt ein Interessenwiderstreit oder gar Parteiverrat nicht vor.

 

Leitsatz des Gerichts

§ 49 b BRAO

Werbung mit der Angabe „Rechtsanwalt beim LG und beim OLG"

BGH, Beschluss vom 30.01.2012 – AnwZ (Brfg) 27/11 = BeckRS 2012, 04738 Fundstelle: NJW-Spezial 2012, S. 191

Der auf einem anwaltlichen Briefkopf enthaltene Zusatz „Rechtsanwalt bei dem Landgericht und dem Oberlandesgericht“ ist geeignet, falsche Vorstellungen zu wecken.

Leitsatz des Gerichts

§§ 43 b BRAO, 4 Nr. 11 UWG

Unzulässiges Schreiben an Gesellschafter einer Fondsgesellschaft

OLG München, Urteil vom 12.1.2012 – 6 U 813/11 = BeckRS 2012, 02010 Fundstelle: NJW-Spezial 2012, S. 223

Ist einem Anwalt bekannt, dass sich potenzielle neue Mandanten Ansprüchen des Insolvenzverwalters einer Fondsgesellschaft ausgesetzt sehen, ist ein aktueller Bedarf an anwaltlicher Beratung ersichtlich und mithin ein Werben um diese Personen unzulässig.

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