§ 42 d Abs. 1 Nr. 1, 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 EStG, 12 Abs. 2, 14 Abs. 2 Nr. 9, 31 a Abs. 1 S. 1, 51 BRAO
Arbeitslohn bei Übernahme der Beiträge zu einer Berufshaftpflichtversicherung einer angestellten Rechtsanwältin durch den Arbeitgeber
BFH, Urteil vom 01.10.2020 – VI R 11/18 –
Vorinstanz: FG Münster, Urteil vom 01.02.2018 – 1 K 2943/16 L
Fundstelle: noch nicht veröffentlicht

 

  1. Übernimmt eine Rechtsanwaltssozietät den Versicherungsbeitrag einer angestellten Rechtsanwältin, die im Außenverhältnis nicht für eine anwaltliche Pflichtverletzung haftet, liegt der Arbeitslohn regelmäßig nur in Höhe des übernommenen Prämienanteils vor, der auf die in § 51 Abs. 4 BRAO vorgeschriebene Mindestbemessungsgrundlage entfällt und den die Rechtsanwältin zur Erfüllung ihrer Versicherungspflicht nach § 51 Abs. 1 S. 1 BRAO benötigt.
  2. Die Übernahme der Umlage für die Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs einer angestellten Rechtsanwältin durch den Arbeitgeber führt zu Arbeitslohn.

 
Anmerkung:

In dem der Entscheidung zu Grunde liegendem Sachverhalt hatte die Arbeitgeberin, eine Rechtsanwaltssozietät in der Rechtsform einer GbR, die Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung (BHV), zur Rechtsanwaltskammer und zum Deutschen Anwaltverein (DAV) sowie die Umlage für das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) einer bei ihr angestellten Rechtsanwältin übernommen. Die Rechtsanwältin wurde im Aussenverhältnis als angestellte Rechtsanwältin geführt, eine Aussensozietät bestand damit nicht.

Die BHV der Rechtsanwältin überstiegt die zur Aufrechterhaltung der Zulassung erforderliche Mindestversicherungssumme von 250.000 € und war der Versicherungssumme der Gesellschafter angepasst.

Hinsichtlich des Prämienanteils zur BHV bis zur Mindestversicherungssumme liegt nach der Entscheidung des BFH zu versteuernder Arbeitslohn vor, da die Aufrechterhaltung der BHV in dieser Höhe Zulassungsvoraussetzung für die Rechtsanwältin und damit unabdingbar für die Ausübung ihres Berufs als (angestellte) Rechtsanwältin ist. Die Zahlung dieses Prämienanteils liegt somit in besonderer Weise in deren eigenem Interesse. Ebenso verhält es sich bei dem Beitrag der Rechtsanwältin zur Rechtsanwaltskammer und bei der Umlage für das beA. Der Kammerbeitrag ist ihrer dortigen Pflichtmitgliedschaft geschuldet, die Umlage folgt unmittelbar aus der Anwaltszulassung. 

Ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Arbeitgeberin an der Mitgliedschaft der Arbeitnehmerin im DAV wird auf Grund deren personenbezogener Mitgliedschaft verneint. Folglich stellt auch diese Beitragsübernahme steuerpflichtigen Arbeitslohn dar.

Anders hat der BFH dagegen den Prämienanteil der Rechtsanwältin zur BHV beurteilt, der auf den die Mindestversicherungssumme übersteigenden Teil der Versicherungssumme entfällt. Die Einbeziehung der angestellten und zivilrechtlich nicht haftenden Rechtsanwältin in den Versicherungsschutz der Sozietät ist allein dem Umstand geschuldet, dass für die Sozien im haftungsrechtlichen Sinn durch Anwendung der Durchschnittsleistung im Versicherungsfall keine Unterdeckung entsteht. Der Einbeziehung der Rechtsanwältin in die Höherversicherung liegt damit ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Sozietät zu Grunde. Dieser Prämienanteil stellt somit keinen Arbeitslohn dar.

Wäre die angestellte Rechtsanwältin ohne eine solche Kennzeichnung und damit als Scheinsozia auf dem Briefkopf der Sozietät geführt worden, hätte dieser Prämienanteil zur Höherversicherung dagegen wiederum Arbeitslohn dargestellt. Denn diese hätte wegen ihrer möglichen Haftung als Scheinsozia auch ein eigenes Interesse an einem Versicherungsschutz in Höhe der Höherversicherungssumme.

Rechtsanwalt Benedikt Trockel

BRAO §§ 46 Abs. 5 S. 2 Nr. 2, RDG 7, 8 Abs. 1 Nr. 2
Keine Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers
BGH, Beschluss vom 30.09.2019 – AnwZ (Brfg) 38/19 = BeckRS 2019, 24575
Fundstelle: NJW-Spezial 2019, S. 735

Rechtsangelegenheiten der Mitglieder einer Muttergesellschaft sind nicht solche der Arbeitgeberin eines Unternehmensjuristen.

Leitsatz des Autors der NJW Spezial

 

 

§ 325 Abs. 1 S. 1, 329 Abs. 1 S. 1 StPO
Ausbleiben des Anwalts in der Hauptverhandlung vor dem AnwGH
AnwGH München, Urteil vom 29.9.2020 – BayAGH II – 3 – 5/20 = BeckRS 2020, 30241
Fundstelle: NJW-Spezial 2020, S. 767

 

Ein Anwalt ist in einer Hauptverhandlung beim AnwGH nur dann im Sinne des § 325 I 1 StPO vertreten, wenn dessen Verteidiger auch bereit und in der Lage ist, von einer ihm eingeräumten Vertretungsmacht Gebrauch zu machen. 

 

 Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

Einsichtsrecht der Generalstaatsanwaltschaft in Personalakten
BGH, Urteil vom 4.8.2020 -AnwZ (Brfg) 4/20 = BeckRS 2020, 24012
Fundstelle: NJW-Spez. 2020, S. 670

Die Generalstaatsanwaltschaft darf bereits im Ermittlungsverfahren Einsicht in die Personalakte eines Mitglieds einer Rechtsanwaltskammer verlangen.

 

Leitsatz des Autors der NJW Spezial

 

 

BRAO §§ 112a, 112c I, 113 I, 116 I, 120, 121, 130, 131 I; StPO §§ 160, 161
Einsicht der Generalstaatsanwaltschaft in anwaltliche Personalakten
BGH, Urteil vom 4.8.2020 -AnwZ (Brfg) 4/20
Fundstelle: NJW 2020, S. 318

 

  1. Die Generalstaatsanwaltschaft kann bereits im anwaltsgerichtlichen Ermittlungsverfahren Einsicht in die Personalakte des betroffenen Mitglieds bei der Rechtsanwaltskammer verlangen. Die Vorschriften des GVG und der StPO sind im anwaltsgerichtlichen Verfahren aufgrund einer Verweisung entsprechend anwendbar.
  2. Für die im Wege der Beschlagnahme nach § 98 StPO mögliche Erzwingung der Herausgabe ist der Ermittlungsrichter zuständig und der Rechtsweg vor dem AnwGH nicht eröffnet.

Leitsatz der Redaktion

 

 

BGB §§ 626, 628 II
Schadensersatzanspruch wegen vertragswidrigen Verhaltens des Rechtsanwalts
BGH, Urteil vom 16.7.2020 - IX ZR 298/19
Fundstelle: NJW 2020, S. 2538

Dem Mandanten steht nach einer durch ein vertragswidriges Verhalten des Rechtsanwalts veranlassten Kündigung ein Schadensersatzanspruch nur zu, wenn das vertragswidrige Verhalten des Rechtsanwalts einen wichtigen Kündigungsgrund bildet und die insoweit zu beachtende Kündigungsfrist von zwei Wochen gewahrt ist.

 

Leitsatz des Verfassers

 

 

§ 626 Abs. 2 S. 1, 627 Abs. 1, 628 Abs. 1 und Abs. 2 BGB
Kündigung des Mandatsvertrags durch den Mandanten
BGH Urteil vom 16.7.2020 - IX ZR 298/19 = BeckRS 2020, 17493
Fundstelle: NJW-Spezial 2020, S. 703

Kündigt der Mandant den Mandatsvertrag wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Anwalts, steht ihm nur dann ein Schadensersatz zu, wenn das vertragswidrige Verhalten des Anwalts einen wichtigen Kündigungsgrund bildet und die insoweit zu beachtende Kündigungsfrist von zwei Wochen gewahrt ist.

Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

 

 

BRAO § 46 II, V
Fortsetzung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nach Verschmelzung
BGH, Urteil vom 14.7.2020 - AnwZ (Brfg) 8/20
Fundstelle: NJW 2020, S. 2970

1.

Anders als im Falle eines sonstigen Arbeitgeberwechsels liegt in einer Verschmelzung zweier Unternehmen kein Widerrufsgrund für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nach § 46 b II BRAO.

2.

Die Rechtsanwaltskammer hat die Befugnis, in einem solchen Fall die Fortsetzung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt in einem klarstellenden Verwaltungsakt zu bescheiden.

 

Leitsatz der Redaktion

 

 

GG Art. 12 I; StGB §§ 70, 133 I, 274 I Nr. 1; StPO § 132a
Verletzung der Berufsfreiheit eines Anwalts durch vorläufiges Berufsverbot
BVerfG (3. Kammer des Ersten Senats), Beschluss vom 2.7.2020 -1 BvR 1627/19
Fundstelle: NJW 2020, S. 3709

 

  1. Die gesetzliche Grundlage für ein vorläufiges Berufsverbot in § 132 a StPO, die dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter dient genügt den Anforderungen des Grundrechts auf freie Berufswahl (Art. 12 I GG).
  2. Voraussetzung für ein vorläufiges Berufsverbot gem. § 132 a StPO ist, dass die Anordnung erforderlich ist, um bereits vor rechtskräftigem Abschluss des Hauptverfahrens konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter abzuwehren, die aus der Berufsausübung resultieren können. Die Gefahrenlage sowie Notwendigkeit und Angemessenheit des vorläufigen Berufsverbots hat das Fachgericht darzulegen und zu erörtern. Auch im Rahmen der nur summarischen Prüfung ohne erschöpfende  Aufklärung des Sachverhalts bedarf es einer Darlegung der den dringenden Verdacht einer Straftat im Sinne des § 70 StGB begründeten Tatsachen (im Anschluss an BVerfGE 44, 105 [118ff.] = NJW 1977, 892; BVerfGE 48, 292 [298] = NJW 1978, 1479; BVerfGK 7, 110 = BeckRS 2005, 32816).
  3. Zur Frage, ob die Nichtherausgabe einer Prozessbürgschaftsurkunde und die fehlende Rücksendung von (drei) Gerichtsakten durch einen Rechtsanwalt als mögliche Anlasstaten der Urkundenunterdrückung (§ 274 I Nr. 1 StGB) und des Verwahrungsbruchs (§ 133 StGB) ein vorläufiges Berufsverbot nach § 132 a StGB rechtfertigen können.

Leitsatz der Redaktion

 

 

MarkenG §§ 14 II Nr. 2, 3, V, 140 III
Markenrechtsverletzung durch Verwendung einer Domain durch Anwalt
LG München I, Urteil vom 25.6.2020 -17 HK 0 3700/20
Fundstelle: NJW 2020, S. 3398

Gegen die Verwendung der Domain www.schufa-anwalt.de durch einen Rechtsanwalt für seinen Internetauftritt hat die antragstellende, in Deutschland bekannte Kreditschutzorganisation einen Anspruch auf Unterlassung, weil mit der Benutzung dieser Domain bei den angesprochenen Verkehrskreisen die Gefahr einer Verwechselung mit der Verfügungsmarke besteht.

Leitsatz der Redaktion

 

 

BRAO § 46 III, V
Keine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin bei Beratung von Arbeitgeberkunden
BGH, Urteil vom 22.6.2020 - AnwZ (Brfg) 23/19
Fundstelle: NJW 2020, S. 2966

1.

Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt setzt voraus, dass die anwaltliche Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis des Antragstellers prägt. EineTätigkeit in Rechtsangelegenheiten von Kunden des Arbeitgebers stellt keine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers dar, selbst wenn sich dieser zu einer Beratung des Kunden verpflichtet hat (Fortführung von Senat NJW 2018, 3100 Rn. 39 ff. und Urteil vom 15.10.2018- AnwZ [Brfg] 58/17, BeckRS 2018, 30038 Rn. 11).

2.

Die rechtliche Beratung von Kunden des Arbeitgebers steht nach § 46 V BRAO einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt entgegen, auch wenn die Wahrnehmung von Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers die Tätigkeit des Antragstellers prägt und dieser nur vereinzelt dessen Kunden berät. Jede rechtsberatende Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten eines Kunden des Arbeitgebers schließt unabhängig von deren Umfang grundsätzlich eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt aus.

 

Leitsatz des Verfassers

 

 

FAO §§ 2 II, 5 I Buchst. n, 14g
Personenbeförderungsrecht bei Zulassung als Fachanwältin für Transportrecht
BGH, Urteil vom 22.6.2020 - AnwZ (Brfg) 48/19
Fundstelle: NJW 2020, S. 3111

1.

Ein Mandant, der einen Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht aufsucht, darf erwarten, dass dieser sich im Bereich des Gütertransportrechts auskennt.

2.

Der Verleihung der Befugnis zur Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht" steht entgegen, wenn der Rechtsanwalt überwiegend im Bereich des Personenbeförderungsrechts tätig ist.

 

Leitsatz der Redaktion

 

 

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