BRAO § 59 a Abs. 1 S. 1

Sind Ärzte und Apotheker sozietätsfähig?

BGH, Beschl. v. 16.05.2013 – II ZB 7/11 Fundstelle: NJW-Spezial 2013, S. 478

Das für Anwälte geltende Verbot, sich mit Ärzten und Apothekern beruflich zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zu verbinden, ist nach Überzeugung des BGH mit dem Grundgesetz unvereinbar.

Leitsatz des Autors der NJW Spezial

Anmerkung:

Der BGH hatte in einer Partnerschaftsregistersache über die Beschwerde eines Rechtsanwalts und einer Ärztin und Apothekerin zu entscheiden, die eine gemeinsame Partnerschaftsgesellschaft zur Eintragung in das Partnerschaftsregister angemeldet hatten. Die Anmeldung wurde durch das Amtsgericht unter Verweis auf § 59 a BRAO zurückgewiesen, wonach sich Rechtsanwälte nur mit den dort benannten Berufen soziieren dürfen, wozu Ärzte und Apotheker nicht gehören.

Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage eingeholt, ob § 59 a Abs. 1 BRAO mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

BRAO §§ 43, 59 a Abs. 1; PartGG §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 2 Nr. 3; GG Art. 3 Abs. 1, 9 Abs. 1, 12 Abs. 1

Interprofessionelle Sozietät von Anwälten mit Ärzten und Apothekern

BGH, Vorlagebeschluss v. 16.5.2013 – II ZB 7/11 Fundstelle: NJW 2013, S. 2674 ff.

 

  1. Werden Ärzte oder Apotheker im Rahmen einer Rechtsanwaltsgesellschaft nur gutachterlich und beratend tätig, steht dies ihrer Eignung als Partner i. S. von § 1 Abs. 1, Abs. 2 PartGG nicht entgegen.

  2. Die Firmierung einer Partnerschaftsgesellschaft „…, Rechtsanwalt, …, Ärztin und Apothekerin, interprofessionelle Partnerschaft für das Recht des Arztes und des Apothekers“ erweckt nicht den Eindruck, dass durch diese Gesellschaft auch Heilkunde und Heilfürsorge angeboten würden oder dass durch einen Arzt oder Apotheker Rechtsrat erteilt würde.
  3. § 59 a Abs. 1 BRAO kann nur als abschließende Aufzählung derjenigen Berufe verstanden werden, mit deren Angehörigen ein Rechtsanwalt sich einer Berufsausübungsgesellschaft verbinden darf; eine erweiternde Auslegung kommt nicht in Betracht.

  4. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verbindung zur gemeinschaftlichen Berufsausübung von Rechtsanwälten mit Angehörigen anderer Freier Berufe in § 59 a Abs. 1 BRAO ist mit Art. 12 Abs. 1, 9 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit sie die berufliche Verbindung von Rechtsanwälten mit Ärzten oder Apothekern nicht zulässt. 

Leitsatz der Redaktion dr NJW

 

UWG § 5 Abs. 2 Nr. 3

Keine Irreführung mit dem Hinweis „Fachanwälte für“

OLG Hamm, Urt. v. 7.5.2013 – 4 U 192/12 = BeckRS 2013, 14748 Fundstelle: NJW-Spezial 2013, S. 670

Nur wenn auf Grund der konkreten Ausgestaltung des Briefkopfes Missverständnisse hinsichtlich der Qualifikation der aufgeführten Anwälte aufkommen können, besteht eine Pflicht zur Zuordnung der jeweiligen Qualifikation.

Leitsatz des Autors NJW Spezial

Anmerkung:
Dem Gericht lag ein anwaltlicher Briefbogen zur Beurteilung vor, in dem in der rechten Randspalte zunächst neun Rechtsanwälte namentlich aufgeführt wurden. Sodann schlossen sich nach einem vergleichsweise großen Absatz nähere Angaben zum Kanzleisitz der Rechtsanwälte unter Angabe von Telefon, Telefax, E-Mail und Homepage an. Nach einem erneuten deutlichen Absatz wurden unter der Voranstellung „Fachanwälte für“ acht Fachanwaltschaften aufgelistet, ohne dass eine Personenzuordnung dieser zu den zuvor genannten Rechtsanwälten erfolgte. Die Aufzählung der Fachanwaltschaften wurde abgeschlossen durch den Hinweis „finden Sie unter www. … .de, der den Verweis auf die Homepage der Anwaltskanzlei darstellte.

Nach Auffassung des OLG wird durch diese Aufzählung der Fachanwaltsqualifikationen nicht der Eindruck hervorgerufen, dass sämtliche der genannten Rechtsanwälte über zumindest eine der aufgeführten Fachanwaltsqualifikationen verfügen oder gar der auf dem Briefbogen unterzeichnende Rechtsanwalt in der jeweiligen Materie des Schreibens über eine Fachanwaltsqualifikation verfüge. Denn die gewählte deutliche absatzweise Darstellung gebe in in sich abgeschlossenen Abschnitten nur Auskunft über die für die Sozietät tätigen Rechtsanwälte und über die Bandbreite der Qualifikation der Sozietät als solche. Es erschließe sich dem Betrachter durch die gewählte Darstellung, dass er die jeweilige Zuordnung der Fachanwaltschaften erst auf der genannten Internetseite finden könne. Er könne bis dahin allenfalls davon ausgehen, dass in der Sozietät jedenfalls Fachanwälte für die aufgeführten Fachgebiete tätig seien. Eine Irreführung liege deshalb nicht vor.

BRAO § 43 c; FAO § 5 Abs. 1, Abs. 4; FAO a. F. § 5 S. 1 u. 3; GG Art. 12 Abs. 1, 20 Abs. 3

Gewichtung von Fallzahlen für Fachanwaltstitel

BGH, Urt. v. 08.04.2013 – AnwZ (Brfg) 54/11 (AnwGH Niedersachsen) Fundstelle: NJW 2013, S. 1599 ff.

  1. Die Gewichtungsregelung des § 5 Abs. 4 FAO ist keine Ausnahmebestimmung; jeder eingereichte Fall ist darauf zu prüfen, ob eine Minder- oder Höhergewichtung angezeigt ist.

  2. § 5 Abs. 1 FAO geht von dem Grundsatz aus, dass der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen schon mit dem Nachweis der vorgegebenen Fallzahlen aus den betreffenden Bereichen des jeweiligen Fachgebiets belegt ist; soll hiervon abgewichen werden, müssen tragfähige Anhaltspunkte vorliegen, welche die zuverlässige Beurteilung zulassen, dass der zu beurteilende Fall außerhalb der Bandbreite eines durchschnittlichen Falls liegt.

  3. Eine – auch erhebliche - Mindergewichtung ist vorzunehmen, wenn Wiederholungsfälle eng miteinander verknüpft sind, etwa weil ihnen im Wesentlichen derselbe Lebenssachverhalt zu Grunde liegt oder sie Teil eines Verfahrensverbundes sind (im Anschluss an Senat, FamRZ 2009, 1320 = BeckRS 2009, 12395 Rdnrn. 21, 30 f.).

  4. Die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer über die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung (§ 43 c Abs. 1 BRAO) ist auch in Bezug auf die Höher- oder Mindergewichtung rechtlich gebunden und unterliegt einschließlich der ihr vorausgehenden Würdigung des Fachausschusses (§ 43 c Abs. 2 BRAO) in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich uneingeschränkt der richterlichen Nachprüfung (im Anschluss an Senat, NJW 1997, 1307; NJW 2003, 741).

  5. Die Gewichtungsregelung des § 5 Abs. 4 FAO steht mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen in Einklang.

Leitsatz des Gerichts

BRAO §§ 43 c Abs. 4 S. 2, 59 b; FAO § 15 Abs. 1, Abs. 2; VwGO §§ 112 e S. 2, 113 Abs. 1 S. 1

Zulässiges Nachreichen von Fortbildungsnachweisen für Fachanwälte

BGH, Urt. v. 08.04.2013 – AnwZ (Brfg) 16/12 Fundstelle: NJW 2013, S. 2364 f.

  1. Die Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 43 c Abs. 4 S. 2 BRAO, § 15 Abs. 1 und Abs. 2 FAO steht erst am Ende des betreffenden Jahres fest. Die Anwaltskammer kann jedoch im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens auch später eingetretene Umstände berücksichtigten, etwa eine Nachholung der versäumten Fortbildung.

  2. § 15 Abs. 3 FAO begründet zwar eine „Bringschuld“ des Fachanwalts, die Erfüllung seiner Fortbildungspflicht nachzuweisen. Die Nachweise unterliegen aber keiner Ausschlussfrist und können daher im behördlichen und gerichtlichen Verfahren nachgereicht werden; zu berücksichtigen ist der gesamte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Streitstoff (§ 112 c Abs. 1 S. 1 BRAO, § 108 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

  3. Der Verstoß gegen die aus § 15 Abs. 3 FAO folgende Pflicht, die Erfüllung der Fortbildungspflicht unaufgefordert nachzuweisen, rechtfertigt für sich genommen nicht den Widerruf der Erlaubnis den Fachanwaltstitel zu führen, nach § 43 c Abs. 4 S. 2 BRAO.

Leitsatz der Redaktion der NJW-Spezial

 

FAO § 5 Abs. 1 lit. f

Anrechnung von „Zweitverteidigungen“ für Fachanwaltstitel

BGH, Urt. v. 11.3.2013 – AnwZ (Brfg) 24/12 Fundstelle: NJW 2013, S. 2762

Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Mitarbeit an Fällen nur mit Blick auf die erforderliche Mindestfallzahl erbracht wurde, verlangt die Fachanwaltsordnung eine geeignete Glaubhaftmachung der persönlichen und weisungsfreien Bearbeitung.

Leitsatz der Redaktion der NJW

 

 

UWG §§ 5 Abs. 1 S. 2, 4 Nr. 11; BRAO § 43 b, BORA § 6 Abs. 1; GG Art. 12

Keine irreführende oder unsachliche Werbung mit „Online-Scheidung“

OLG Hamm, Urt. v. 07.03.2013 – 4 U 162/12 Fundstelle: NJW 2013, S. 2038 ff.

  1. Die Aussage “Scheidung online → spart Zeit, Nerven und Geld“ auf der Internetseite eines Anwalts ist jedenfalls dann nicht irreführend, wenn die Art und Weise, wie Kosten gespart werden können, im Folgesatz hinreichend erläutert wird.
  2. In dieser Aussage ist auch keine unsachliche Werbung zu sehen, mit der der Anwalt gegen § 43 b BRAO, § 6 BORA verstößt. Eine solche Wirkung ist ungeachtet einer damit verbundenen Anlockwirkung jedenfalls dann erlaubt, wenn sie – wie hier – keine reklamehafte, gleichsam „marktschreierische“ Gestalt annimmt und auch nicht geeignet ist, das Vertrauen in die Integrität der Anwaltschaft zu beeinträchtigen.
  3. Die Darstellung eines online eingeleiteten Scheidungsverfahrens als formalisiertes Verfahren in neun Schritten ist weder irreführend noch unsachlich, wenn sie wie eine mündliche Beratung wirkt, inhaltlich nicht zu beanstanden ist und dabei auch nicht den Eindruck erweckt, dass eine anwaltliche Beratung in keinem Fall stattzufinden braucht.

    Leitsatz des Gerichts

BGB §§ 242, 723 III

Unwirksame Rentenklauseln in anwaltlichem Sozietätsvertrag 

LG München I, Urteil vom 4.3.2013- 15 0 8167/12 Fundstelle: NJW 2014, S. 478 ff.

  1. Klauseln im Sozietätsvertrag einer Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts (Sozietät), die Rentenansprüche von altersbedingt ausscheidenden Sozien vorsehen (Versorgungsregelun sind in der Regel wirksam.

  2. Schuldner dieser Rentenansprüche sind die Sozietät sowie, je nach Vereinbarung, die in der Sozietät verbleibenden Sozien persönlich.

  3. Eine weitergehende Klausel, wonach für die Rentenansprüche auch solche (jüngeren) S Kündigung aus der Sozietät ausgeschieden sind, kann als unangemessene Erschwerung von deren Kündigungsrecht nach § 723 III BGB zwingend unwirksam sein.

4. Ob die Klausel gegen § 723 III BGB verstößt, ist anhand einer wertenden Gesamtbetrachtung der Regelungen des Sozietätsvertrags zu ermitteln. Maßgebend dafür ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (Wirksamkeitskontrolle); wie das Sozietätsverhältnis später gelebt wurde (Ausübungskontrolle), ist insoweit nicht entscheidend. Die Ausübungskontrolle kann aber dazu führen, dass es rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB wäre, den durch Kündigung ausgeschiedenen Sozius auf Rentenzahlung in Anspruch zu nehmen.

Leitsatz des Einsenders

GewO §§ 6, 14; BGB §§ 1896 ff.

Gewerbliche Tätigkeit des Rechtsanwalts als Berufsbetreuer

BVerwG, Urt. v. 27.02.2013 – 8 C 7.12 Fundstelle: NJW 2013, 2214 ff.

Ein Berufsbetreuer übt keinen freien Beruf, sondern ein Gewerbe aus. Das gilt auch für einen Rechtsanwalt, soweit er zugleich als Berufsbetreuer tätig ist.

Leitsatz des Gerichts

Anmerkung:

Der Entscheidung des BVerwG voraus ging ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15. Juni 2010 (VII R 10/09), nach der ein Berufsbetreuer keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern solche aus sonstiger selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erzielt. Die Einkünfte des Berufsbetreuers unterliegen damit nicht der Gewerbesteuer.

In seiner Entscheidung vom 27. Februar 2013 sieht das BVerwG keinen Gegensatz zu der Rechtsprechung des BFH, da die Qualifizierung im Einkommenssteuerrecht für die gewerberechtliche Bewertung einer Tätigkeit als freiberuflich oder gewerblich wegen der fehlenden Übertragbarkeit der steuerrechtlichen Regelung auf die Gewerbeordnung keine Bindungswirkung entfalte. Die Terminologie des Steuerrechts sei aufgrund der unterschiedlichen Regelungszwecke mit derjenigen des Gewerberechts nicht identisch. Die Gewerbeordnung sei vielmehr zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Wirtschaftsleben bestimmt, während Gegenstand des Steuerrechts fiskalische Ziele seien.

Der BFH hat nachfolgend mit Urteil vom 25. April 2013 (V R 7/11) ergänzend festgestellt, dass Leistungen gerichtlich bestellter Berufsbetreuer zudem auch nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Zu differenzieren ist dabei jedoch zwischen der Betreuungstätigkeit an sich, die umsatzsteuerfrei erbracht wird und in diesem Zusammenhang erbrachte Leistungen, die zum Gewerbe oder zum Beruf des Betreuers gehören. Diese sind nicht umsatzsteuerbefreit.

Rechtsanwalt Benedikt Trockel

 

UWG §§ 4 Nr. 11, 3 Abs. 1, 8 Abs. 1; BerlHG § 34 a Abs. 1 S. 1

Keine Irreführung durch ausländische akademische Titel auf Kanzleibriefkopf

KG, Urt. v. 22. 02.2012 – 5 U 51/11 Fundstelle: NJW 2012, S. 3589 f.

Wird auf einem anwaltlichen Briefkopf ein im außereuropäischen Ausland erworbener akademischer Titel anstatt korrekt mit „LL.M.“ und dem Namen der Hochschule nur mit „LL.M.“ und dem Ort angegeben, liegt darin keine relevante Irreführung des Rechtsverkehrs.

Leitsatz der Redaktion der NJW

BGB §§ 123 Abs. 1, 311 Abs. 2, 675 Abs. 1

Widerrechtliche Drohung mit Mandatsniederlegung

BGH, Urt. v. 7.2.2013 – IX ZR 138/11 Fundstelle: AGS 2013, S. 317 ff.

Veranlasst der Rechtsanwalt den persönlich nicht haftenden Gesellschafter seiner Mandantin erstmals unmittelbar vor einem anberaumten Gerichtstermin mit dem Hinweis, anderenfalls das Mandat niederzulegen, zum Abschluss einer Haftungsübernahme, kann hierin eine widerrechtliche Drohung liegen.

Leitsatz der Schriftleitung der AGS

BRAO § 43 a Abs. 4; BORA § 3

Interessenkollision im Erbrecht

BGH, Beschl. v. 16.01.2013 – IV ZB 32/12 Fundstelle: NJW-Spezial 2013, S. 158

Ein Anwalt darf anlässlich desselben Erbfalls nicht Pflichtteilsberechtigte bei der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen und deren Mutter bei der Abwehr von Nachlassforderungen vertreten.

Leitsatz des Gerichts

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