Nachdem das Bundeskabinett am 16.02.2020 den Gesetzentwurf zum Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 beschlossen hatte, war aufgrund der seit 2018 geführten Vorverhandlungen von BRAK und DAV davon auszugehen, dass dieses das parlamentarische Verfahren durchlaufen und zum 01.01.2021 in Kraft treten würde.

Nunmehr haben jetzt aber der Rechts- und der Finanzausschuss des Bundesrates diesem zu seiner Sitzung am 06.11.2020 empfohlen, eine Stellungnahme dahingehend abzugeben, dass das Gesetz erst zum 01.01.2023 in Kraft treten soll.

Hiergegen haben sich BRAK und DAV bereits gewandt.

Die drei nordrhein-westfälischen Rechtsanwaltskammern hatten dies auf Initiative der RAK Hamm hin mit dem anliegenden gemeinsamen Schreiben vom 30.10.2020 unterstützt.

Das Schreiben ist zugleich auch an die sechs Vertreter des Landes NRW im Bundesrat vermittelt worden.

Das Schreiben lautet wie folgt:

Ministerium der Justiz des Landes
Nordrhein-Westfalen
Herrn Justizminister Peter Biesenbach
Martin-Luther-Platz 40
40212 Düsseldorf
30. Oktober 2020


Gesetzentwurf zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts (Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 - KostRÄG 2021)


Sehr geehrter Herr Minister,
sehr geehrter Herr Biesenbach,


am 26.10.2020 haben der federführende Rechtsausschuss und der Finanzausschuss dem Bundesrat empfohlen, zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts (KostRÄG 2021) unter anderem dahingehend Stellung zu nehmen, dass das Gesetz vollumfänglich erst zum 1. Januar 2023 in Kraft treten soll. Begründet wird das mit den Belastungen der Länderkassen durch die Covid-19-bedingten Ausgaben.


Aus der Sicht der Anwaltschaft ist diese Empfehlung nicht nachvollziehbar.


Die letzte Anpassung der anwaltlichen Gebühren ist im Jahr 2013 erfolgt. Seither sind die Tariflöhne um 19 % gestiegen. Ebenso gestiegen sind die Betriebskosten der Rechtsanwaltskanzleien. Es ist also nicht so, dass die Anwaltschaft aus einer Situation gedeckter Kosten für mehrere Jahre auf eine Anpassung der Gebühren an das gestiegene Kostenniveau verzichten könnte. Vielmehr besteht ein seit sieben Jahren ungedeckter Anpassungsbedarf. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich die Rechtsanwälte der Steigerung der Betriebskosten der Kanzleien nicht entziehen können, bedeutet das im Vergleich zum Zeitpunkt der letzten Anpassung 2013 einen Einkommensverlust von einem Fünftel.


Das KostRÄG 2021 sieht nicht einmal eine volle Anpassung an die gestiegenen Kosten vor. Die Anpassung der wertbezogenen Gebühren nach § 2 RVG soll nur um 10 % erfolgen, bleibt also ganz erheblich hinter dem wirklichen Anpassungsbedarf zurück. Die Anwaltschaft hat sich dennoch in den Verhandlungen mit der geringeren Anpassung einverstanden erklärt, um den Rechtsanwälten in der Fläche eine zeitnahe Anpassung zukommen zu lassen.


Die Ertragssituation der Anwaltschaft in der Fläche ist schon lange nicht mehr auskömmlich. Vielmehr sind viele Bereiche der Beratungs- und Vertretungstätigkeit nicht mehr angemessen entgolten. Die Ertragssituation wird durch die Covid-19-Pandemie weiter geschwächt. Das Mandatsaufkommen und die Erträge sinken zwar nicht, wie etwa im Gastgewerbe, plötzlich und massiv, aber sukzessive immer deutlicher spürbar. Das liegt daran, dass die Fälligkeit der Vergütung erst bei Beendigung der Tätigkeit entsteht, die je nach Verfahrensdauer häufig erst Jahre nach Auftragserteilung liegt. Das Auftragsvolumen sinkt bereits jetzt wegen des wirtschaftlichen Rückgangs spürbar. Die Anwaltschaft lebt derzeit zu einem erheblichen Teil noch von Aufträgen, die vor der Covid-19-Pandemie erteilt worden sind. Der pandemiebedingte Einkommensverlust wird sich daher erst im Laufe des nächsten Jahres in vollem Umfang realisieren. Anders als in anderen Wirtschaftsbereichen haben Bund und Länder für solche sukzessiven Einkommensrückgänge keine Ausgleiche vorgesehen oder auch nur angedacht.


Diese Situation wird zum einen in der Anwaltschaft notwendig dazu führen, dass kleinere Kanzleien diese Einkommensverluste nicht auffangen können. Die Anwaltschaft ist in ihrer Gesamtheit ein wichtiger Arbeitgeber. Auch die Kanzleien, die nicht aufgeben müssen, werden bei geringer werdender finanzieller Ausstattung, z.B. durch Personalabbau, gegensteuern müssen. Das wird zu höheren Belastungen der öffentlichen Kassen führen.


Die Schwächung der Anwaltschaft wird zum anderen notwendigerweise auch die Leistungsfähigkeit der Justiz beeinträchtigen. Die Anwaltschaft gewährleistet als erster Ansprechpartner den Zugang zum Recht für alle Bürger. Das wird die Anwaltschaft insbesondere in der Fläche nicht mehr gewährleisten können, wenn in den nächsten Jahren über den Verlust von einem Fünftel des Einkommens hinaus weitere Einkommensverluste entstehen.


Vor diesem Hintergrund wird mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass die Landeskassen die Anhebung der Gehälter im öffentlichen Dienst um 4,5 % für ein Jahr trotz der Covid-19-Pandemie für angemessen und finanzierbar halten, eine Anpassung der anwaltlichen Gebühren nach sieben Jahren um 10 %, teilweise gegenfinanziert durch eine Erhöhung der Gerichtsgebühren um ebenfalls 10 %, jedoch nicht.


Die oben geschilderten Fakten sollten bei der Entscheidung im Bundesrat berücksichtigt werden und wir bitten Sie daher, in der kommenden Sitzung des Bundesrates der Empfehlung zur Verschiebung des KostRÄG 2021 auf das Jahr 2023 nicht nachzukommen und vielmehr dem Regierungsentwurf zuzustimmen.


Mit freundlichen Grüßen
Herbert P. Schons
(Präsident RAK Düsseldorf)

Hans Ulrich Otto
(Präsident RAK Hamm)

Dr. Thomas Gutknecht
(Präsident RAK Köln)