Artikel

von Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag.rer.publ., BRAK, Berlin

Berlin, 12.08.2019 (Veröffentlichung aus dem BRAK-Magazin Heft 4/2019)

 

Eine aktive Nutzungspflicht für den elektronischen Rechtsverkehr (ERV) gilt grundsätzlich erst ab 2022. Das Mahnverfahren ist hier schon etwas weiter – und es geht ab Anfang 2020 noch einen Schritt voraus.

Am Anfang war der elektronische Mahnantrag

Bereits seit Dezember 2008 müssen Anwältinnen und Anwälte (und registrierte Inkassodienstleister) nach § 690 III 2 ZPO den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids in nur maschinell lesbarer Form übermitteln. Dazu erzeugt man über das bundesweite Portal www.online-mahnantrag.de oder über eine Kanzleisoftware einen Datensatz. Dieser wird dann – qualifiziert elektronisch signiert – über das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) oder (seit es Ende 2016 startete) das beA gesandt. Alternativ war auch das sog. Barcode-Verfahren nutzbar. Hierfür füllt man über das Portal www.online-mahnantrag.de ein Formular aus; am Ende des dortigen Dialogs erhält man ein PDF-Dokument mit einem Barcode, das man ausdruckt, handschriftlich unterzeichnet und per Post an das Mahngericht sendet.

Erweiterte Nutzungspflicht seit dem 1.1.2018

Zum 1.1.2018 wurde die anwaltliche Nutzungspflicht für Anträge und Erklärungen im automatisierten Mahnverfahren durch den mit dem „Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs“ neu geschaffenen § 702 II ZPO ausgeweitet. Der bisherige § 690 III ZPO wurde aufgehoben. Danach gilt derzeit: Anwältinnen und Anwälte dürfen Anträge und Erklärungen, für die maschinell bearbeitbare Formulare nach § 703c I 2 Nr. 1 ZPO eingeführt wurden, nur noch in dieser Form übermitteln. Solche Formulare gibt es nach § 1 der aufgrund von § 703c ZPO ergangenen Verordnung für die Anträge auf Neuzustellung des Mahnbescheids und auf Erlass oder Neuzustellung des Vollstreckungsbescheids.

Und noch eine weitere Neuerung kam zum 1.1.2018 hinzu: Statt wie bisher mit qualifizierter elektronischer Signatur und wahlweise über EGVP oder das beA können die Anträge seit dem 1.1.2018 auch auf einem „sicheren Übermittlungsweg“ an das Mahngericht übermittelt werden. Gemäß § 130a III, IV ZPO ist dies z.B. der Fall, wenn man als Anwältin oder Anwalt das entsprechende Dokument selbst aus dem eigenen beA an das Gericht übermittelt; dann ist lediglich eine einfache elektronische Signatur erforderlich.

Und noch einen Schritt weiter – ab dem 1.1.2020

Ab dem 1.1.2020 wird die Nutzungspflicht noch ein Stück erweitert: Anwältinnen und Anwälte dürfen dann auch Widersprüche gegen einen Mahnbescheid nur noch in maschinell lesbarer Form an das Gericht übermitteln. Hierfür gilt dann, was bereits jetzt für Mahnanträge und Folgeanträge gilt. Das Portal www.online-mahnantrag.de wird derzeit entsprechend vorbereitet; die Hersteller von Kanzleisoftware arbeiten daran, dies ebenfalls umzusetzen.

Die entsprechenden Papiervordrucke dürfen ab dem 1.1.2020 von Anwältinnen und Anwälten nicht mehr genutzt werden – ihre Nutzung führt vielmehr zu einem formunwirksamen Widerspruch, der (sofern dessen übrige Voraussetzungen vorliegen) den Erlass eines Vollstreckungsbescheids nicht hindert. Vorsicht, Haftungsfalle: Die Gerichte sind gesetzlich weiterhin verpflichtet, dem Antragsgegner das Formular für den Widerspruch zusammen mit dem Mahnbescheid zuzustellen – dieser selbst darf das Formular nach dem 31.12.2019 noch nutzen, nicht aber ihre Anwältinnen und Anwälte! Das Formular enthält bereits jetzt Hinweise hierauf.

Barcode-Anträge sind ebenfalls weiterhin möglich. Sie werden erst dann nicht mehr zulässig sein, wenn die aktive Nutzungspflicht für den ERV eingetreten ist, also (spätestens) ab dem 1.1.2022
(§ 130d ZPO n.F.).

Auf die ab dem 1.1.2020 geltende Rechtslage sollten Sie sich frühzeitig einstellen und Ihre Kanzleiorganisation – sofern nicht Ihre Kanzleisoftware diese Möglichkeit bietet – ggf. so anpassen, dass auch der Widerspruch über das Portal www.online-mahnantrag.de gestellt wird.