UWG § 3; BRAO § 43 b

Anwaltswerbung mit Herabsetzung der anwaltlichen Kollegen

OLG Jena, Urt.v. 20.04.2005 – 2 U 948/04
Fundstelle: NJW 2005. S. 2089 ff.
Die Werbeaussage in einem Anwaltsrundschreiben an Mandanten und Nichtmandanten, wonach der Umstand, dass Rechtsfragen immer komplexer werden, gleichzeitig dazu führt, dass eine Anwaltskanzlei, wenn sie sich mit all diesen Rechtsgebieten abgibt, allenfalls nur durchschnittliches Wissen anbieten kann, stellt eine verbotene unerlaubte Werbung nach § 3 UWG dar.

BRAO § 49 b

Erfolgshonorar

OLG Celle, B. v. 26.11.2004 – 3 U 250/04 – (Fundstelle : AGS 3/2005, 107) § 49 b BRAO ist nicht verfassungswidrig. Rechtsvergleichende Betrachtungen können ein abweichendes Ergebnis nicht begründen.

BRAO § 43 b; BRAO § 6; UWG §§ 3, 4 Nr. 11; GG Art. 12

Reichweite des Sachlichkeitsgebotes bei Anwaltswerbung

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 14.10.2004 – 6 U 198/03 (Fundstelle: NJW 2005, 1283) Eine gegen das Sachlichkeitsgebot aus § 43 b BRAO, § 6 BORA verstoßende Werbung stellt zugleich eine unlautere Wettbewerbshandlung i. S. des § 3 UWG dar. Das darauf folgende Verbot verletzt nicht das Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 GG. ¹

Der beklagte Rechtsanwalt hatte im Internet wie folgt geworben: „Soweit erforderlich, werden wir auch Klage erheben. Wir werden Anträge auf Erlass eine einstweiligen Anordnung sorgfältig begründen und den Gerichtstermin auf jeden Fall wahrnehmen. Dies unterscheidet uns von eigenen anderen auf diesem Gebiet tätigen Anwälten/innen, bei denen der Sachvortrag häufig sehr dürftig ist und keine Vertretung in der mündlichen Verhandlung erfolgt. So geht z. B. der Rechtsanwalt S. aus S. nie zur mündlichen Verhandlung, so dass ihn die Richter bereits als „Phantom“ bezeichnet haben. Wir werden als adäquate Gesprächspartner auch von den Richtern geschätzt (...).“

Zwar seien die Aussagen der Sätze 1 und 2 der beanstandeten Werbung, so das OLG; noch als sachliche Unterrichtung im Sinne der §§ 43 b BRAO, 6 BORA zu verstehen, das Sachlichkeitsgebot werde jedoch durch die nächsten beiden Sätze („Dies unterscheidet uns ...“ und „So geht z. B. ein Rechtsanwalt S. ...“) verletzt. Der Leser könne nicht beurteilen, wer zu den angesprochenen nachlässigen Rechtsanwälten gehöre und werde verunsichert. Ein rechtliches Interesse des Beklagten, nicht nur seine eigene Leistung positiv darzustellen, sondern darüber hinaus einen Teil der konkurrierenden Rechtsanwälte in ein schlechtes Licht zu rücken, bestehe nicht.

Darüber hinaus sei die Klage auch deshalb begründet, weil es im letzten Satz der angegriffenen Passage heiße: „Wir werden als adäquate Gesprächspartner ...“. Eine Werbung, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stelle und mit der eigentlichen Leistung des Rechtsanwalts und dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats nichts mehr zu tun habe, sei mit der Stellung des Rechtsanwalts nicht vereinbar. Indem der Beklagte sich den Interessenten als von den Richtern geschätzt präsentiere, erwecke er, insbesondere im Kontext mit den beiden vorangegangenen Sätzen, den Eindruck, in einem Näheverhältnis zu den zur Neutralität verpflichteten Richtern zu stehen und Prozesse deshalb nicht nur wegen seiner sachlichen Befähigung, sondern auch wegen seiner persönlichen Beziehungen gewinnen zu können.

Der Verstoß gegen § 43 b BRAO verletze zugleich den Tatbestand des § 1 UWG a. F. Auch nach Einführung des neuen UWG vom 03.07.2004 bleibe die Werbung wettbewerbswidrig. Denn bei § 43 b BRAO handele es sich um eine gesetzliche Vorschrift im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG, da sie auch dazu bestimmt sei, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Der Verstoß gegen § 43 b BRAO stelle zugleich eine unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne von § 3 UWG dar, da er geeignet sei, den Wettbewerb zum Nachteil der Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen.

ZPO §§ 127, 748

Titelumschreibung auf Abwickler

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 09.08.2004 – 19 W 41/034 (Fundstelle: NJW 2005, 912) Der Kanzleiabwickler ist hinsichtlich der von ihm verwalteten Rechtsanwaltsanderkonten Rechtsnachfolger i. S. des § 727 ZPO. Die Vollstreckungsklausel eines gegen den früheren Rechtsanwalt erwirkten Titels ist analog § 748 II ZPO gegenüber dem Abwickler umzuschreiben.

UWG §§ 8, 3, 4 Nr. 11; BORA § 12

Verstoß gegen § 12 BORA kein Wettbewerbsverstoß

OLG Nürnberg, Urt. v. 27.07.2004 – 3 U 2102/04 Die § 12 BORA missachtende unmittelbare Kontaktaufnahme mit dem anwaltlich vertretenen Gegner löst keinen Unterlassungsanspruch gem. §§ 8, 3, 4 UWG aus, da § 12 BORA keine wettbewerbsbezogenen Zwecke verfolgt (ebenso OLG Köln; NJW-RR 2003; 194 zu § 1 UwG a. F.).

§ 12 BORA verbiete, so dass Gericht, jeden unmittelbaren Kontakt mit der Gegenseite. Hierbei komme es nicht darauf an, von wem die Initiative ausgeht und ob der Kontakt von dem Mandanten selbst gewünscht wird. So lange der andere Anwalt mandatiert ist, verstoße der von der Gegenpartei angesprochene Rechtsanwalt gegen das Umgehungsverbot, wenn er sich auf das Gespräch einlässt.

Ein Verstoß gegen § 12 BORA begründe jedoch keinen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch, da der Vorschrift der erforderliche wettbewerbsbezogene Charakter fehle.

Zwar sei § 12 BORA eine wertbezogene Norm, denn sie schütze das wichtige Gemeinschaftsgut der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Sie sei aber als wettbewerbsrechtlich neutrale Norm anzusehen, da sie keinen Schutz vor anwaltlicher Konkurrenz biete. Daher entfalle die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG, dessen Aufgabe es sei, das Marktverhalten zu regeln.

Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich auch nicht aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB, da der Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 12 BORA keinen unmittelbaren Eingriff in die Berufsausübung begründe, sondern einen allenfalls zu einer mittelbaren Beeinträchtigung führen könne.

GG Art. 12; BRAO § 43 b; BORA § 6 III

1. § 6 III BORA, der Rechtsanwälten die Werbung mit Umsatzzahlen untersagt, ver-stößt gegen Art. 12 GG und ist damit verfassungswidrig.

2. Rechtsanwälten kann es nicht untersagt werden, mit wahren Umsatzzahlen und damit zusammenhängenden Bewertungen - zum Beispiel in einer Medieninformation - zu werben.

3. Die Aussagen, die Kanzlei „behauptet sich als führende Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzlei deutschen Ursprungs“ und sei „damit Partner Nr. 1 im internationalen Mittelstand“, verstoßen gegen das Gebot der sachlichen Information gem. § 43 b BRAO.1)

OLG Nürnberg, U. v. 22.06.2004 - 3 U 334/04 (nicht rechtskräftig) (Fundstelle: NJW 2004, 2167 ff.)

StPO § 145 a I; OWiG § 51 III

Zustellung an Wahlverteidiger trotz Streichung der Ermächtigung in Vollmachtsur-kunde

OLG Köln, Beschl. v. 02.04.2004 – Ss 126/04 Z – 68 Z Eine Zustellung an den gewählten Verteidiger ist auch dann wirksam, wenn in der zu den Akten gereichten Vollmachtsurkunde die Formulierung der Ermächtigung „Zustel-lungen ... entgegenzunehmen“ durchgestrichen ist.

OLG Köln, Beschl. v. 02.04.2004 – Ss 126/04 Z – 68 Z

Dem Umstand, dass in dem in Kopie zur Akte gereichten Vollmachtsformular von Anfang an bei der Formulierung „Zustellungen zu bewirken und entgegenzunehmen“ das Wort „entgegenzunehmen“ durchgestrichen worden ist, komme keine rechtserhebliche Bedeutung zu. Durch § 51 Abs. 3 OWiG bzw. § 145 a Abs. 1 StPO werde eine gesetzliche Zustellungsvollmacht begründet, die sich allein aus der Stellung des Verteidigers – hier als Wahlverteidiger – ergebe und nicht etwa konstitutiv durch die Vollmachtsurkunde bewirkt werde. Die gesetzliche Zustellungsvollmacht sei nicht einschränkbar. Die betreffende Streichung mag daher im Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant für sonstige Zustellungen Bedeutung haben; für gerichtliche Zustellungen sei sie jedoch unbeachtlich.
Fundstelle: NJW 2004, S. 3196

§§ 274, 13 StGB

Ein Rechtsanwalt macht sich nicht schon wegen Urkundenunterdrückung durch Unterlassen strafbar, wenn er irrtümlich seinem Mandanten zugestellte Anträge des Prozessgegners nicht weiterleitet.1)

OLG Hamm, B. v. 06.01.2004 - 4 Ws 549/03 Der im Klageerzwingungsverfahren beschuldigte Rechtsanwalt vertrat einen Mandanten in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren. Diesem Mandanten wurde irrtümlich durch die Bevollmächtigten des Prozessgegners ein gegen ihn gerichtetes Mahnbescheidsantragsformular zugestellt. Das Schreiben ist zwar an das Arbeitsgericht adressiert gewesen, jedoch infolge eines Versendungsfehlers des Kanzleisekretariats direkt an den Prozessgegner gesandt worden. Der Mandant wandte sich an seinen Rechtsanwalt, welcher befand, dass weder eine Hinweispflicht gegenüber der Gegenpartei bestand, noch die Verpflichtung vorlag, das Formular an den Absender zurückzuschicken oder an das Arbeitsgericht weiterzuleiten. Das Antragsformular verblieb somit beim Mandanten. Das Mahnverfahren wurde nicht eingeleitet. Der Prozessgegner war der Ansicht, dass sich sowohl der Mandant, als auch dessen Rechtsanwalt durch ihre Untätigkeit der Urkundenunterdrückung durch Unterlassen schuldig gemacht haben.

Der entsprechende Antrag des Prozessgegners wurde im Klageerzwingungsverfahren – nach der vorherigen Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 170 II StPO – als unzulässig verworfen. Das OLG verneinte für die Beschuldigten das Bestehen einer Garantenpflicht, welche die Weiterleitung irrtümlich zugestellter Post beinhaltet. Eine solche Pflicht des beschuldigten Mandanten gegenüber dem Prozessgegner, als ehemaligen Arbeitgeber, kann weder aus dem gekündigten Arbeitsverhältnis, noch aus einem besonderen Vertrauensverhältnis begründet werden. Eine pflichtwidrige Nichtherausgabe der Post kann dem Rechtsanwalt nicht vorgeworfen werden, denn dies würde diesen zur Vornahme einer Handlung zwingen, die zum eigenen bzw. zum Nachteil des Mandanten erfolgen würde. Eine Pflicht, welche zur Verletzung von Mandanteninteressen führe, kann mit dem Berufsrecht der Rechtsanwälte nicht vereinbar sein.

BGB a. F. §§ 276, 278; ZPO § 301

Mithaftung eines Rechtsanwalts als Mitglied einer Scheinsozietät

OLG Köln, U. v. 18. Dezember 2003 – 22 U 168/02 (LG Köln – 20 O 581/01) Werden im Briefkopf eines Rechtsanwalts weitere Anwälte unter der Sammelbezeichnung „in Kanzleigemeinschaft“ aufgeführt, so kann dies den Anschein der Verbindung in einer Sozietät erwecken.

Bei der Mandatierung eines zu einer Anwaltssozietät gehörenden Rechtsanwalts sei davon auszugehen, dass mit allen Mitgliedern der Sozietät ein Mandatsverhältnis zu Stande kommt. Dies gelte auch dann, wenn zum Zeitpunkt der Mandatierung aus Sicht des Rechtsverkehrs, namentlich des konkreten Mandanten, eine Scheinsozietät besteht. Diese Voraussetzung sei vorliegend gegeben.

Zu Unrecht habe die Vorinstanz die Annahme einer Scheinsozietät mit Rücksicht darauf abgelehnt, dass der Briefkopf der Beklagten zu 1) über den Namen weiterer Anwälte ausdrücklich den Hinweis „in Bürogemeinschaft“ enthält. Vielmehr sei im maßgeblichen Zeitpunkt der Mandatierung ein Briefkopf verwandt worden, der die weiteren Anwältinnen unter der Überschrift „in Kanzleigemeinschaft“ auflistete.

Zudem lasse die undifferenzierte und uneingeschränkte Benennung beider Beklagter auf einem Praxisschild lediglich mit dem jeweiligen Zusatz „Rechtsanwältin“ ohne Weiteres den Eindruck einer Sozietät aufkommen, der durch die einheitliche räumliche Gestaltung der Kanzlei noch unterstützt werde. Insofern dürfte der Kläger, als er Ende 1997 erstmalig die Kanzlei aufsuchte und um Beratung in seiner Mitangelegenheit bat, im Zweifel beide Beklagte als Mitglieder einer Scheinsozietät beauftragt haben.

(Fundstelle: MDR 1003, 900)

BRAO § 43 b

Anwaltseinladung zur Informationsveranstaltung für Fondsanleger

OLG Naumburg, U. v. 13. August 2003 – 1 U 42/02 Es stellt einen Verstoß gegen § 43 b BRAO als unerlaubte Werbung um ein einzelnes Mandat dar, wenn Anwälte die Anleger eines Fonds zu einer Informationsveranstaltung einladen.

(Fundstelle: NJW-RR 2003, 708 f.)

BORA §§ 9, 33

Unzulässige Fantasiebezeichnung für Rechtsanwalts-AG – Pro Videntia AG

OLG Nürnberg, Urteil vom 10. Juni 2003 – 3 U 588/03 (nicht rechtskräftig) 1.
Eine reine Fantasiebezeichnung „Pro Videntia AG“ als Firmierung einer Anwaltssozietät verstößt gegen §§ 9, 33 BORA und ist daher unzulässig und stellt einen Wettbewerbsverstoß dar1.

2.
Die Anwalts-AG kann von einer Rechtsanwaltskammer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Die Klägerin, die RAK Nürnberg, machte gegen die als „Pro Videntia Rechtsanwalts-AG“ in das Handelsregister eingetragene Beklagte einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend, da deren Firmierung mit einer Fantasiebezeichnung berufs- und wettbewerbswidrig sei. Das LG wies die Klage ab. Die zulässige Berufung hatte in der Sache Erfolg, da die Beklagte als Störerin für unerlaubte Wettbewerbshandlungen ihrer Gründer hafte, § 1 UWG, § 9 BORA, § 1004 BGB analog.

Die Klagebefugnis der Rechtsanwaltskammer gem. § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG bejahte das OLG Nürnberg mit Verweis auf die ständige Rechtsprechung des BGH (zuletzt: BGH NJW 2003, 819).

Die Beklagte hafte als Störerin für unerlaubte Wettbewerbshandlungen ihrer Gründer, das sie die Namensgebung dulde. Zwar verstoße sie nicht selbst gem. § 1 UWG i. V. m. § 9 BORA gegen berufsrechtliche Vorschriften, da die BORA auf eine Rechtsanwalts-AG nicht anwendbar sei. Jedoch würden die anwaltlichen Gründer der Pro Videntia Rechtsanwalts-AG durch die Namensgebung gegen §§ 33 Abs. 2, 9 BORA verstoßen, da die Firmierung unter einer reinen Fantasiebezeichnung für eine Rechtsanwaltskanzlei unzulässig und zu gewährleisten sei, dass die berufsrechtlichen Regelungen eingehalten werden, gleichgültig in welcher Form eine Zusammenarbeit von Rechtsanwälten stattfindet. Aus § 9 BORA folge, dass Zusammenschlüsse von Rechtsanwälten zu ihrer Bezeichnung im Rechtsverkehr entweder den Namen aller zusammengeschlossenen Rechtsanwälte oder eine Kurzbezeichnung führen müssen, die den Namen einzelner oder mehrer Anwälte ggf. mit Zusätzen gem. § 9 Abs. 3 BORA enthält. Diese Grundregel anwaltlicher Namensgebung habe für Partnerschaftsgesellschaften in § 2 PartGG und für die Rechtsanwalts-GmbH in § 59 k BRAO ihren Niederschlag gefunden.

Das Gericht verstehe den durch das Bundesjustizministerium beanstandeten Beschluss der Satzungsversammlung vom 7. November 2002 (Anmerkung: Siehe hierzu BRAK-Mitt. 2/2003, S. 67 ff.), wonach Zusätze nur erlaubt seien, soweit dadurch keine Sach- oder Fantasiebezeichnung entsteht, dahingehend, dass hinsichtlich der Fantasiebezeichnung von Rechtsanwaltskanzleien lediglich deklaratorisch klargestellt wurde, dass diese – wie bisher – unzulässig seien, also insoweit keine Änderungen zum vorhergehenden Zustand vorgenommen wurde.

Die mit der berufsrechtlichen Restriktion der Namensgebung verbundene Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG sei durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls begründet. Als Organ in der Rechtspflege sei Rechtsanwälten nicht nur im Bereich der Werbung eine Zurückhaltung auferlegt, da sie einen freien Beruf ausüben, folglich nicht Gewerbetreibende seien und ihre Tätigkeit nicht in erster Linie vom Streben nach Gewinn, sondern maßgeblich vom Dienst am Recht und von der Absicht der Rechtdurchsetzung für ihre Mandanten bestimmt sei. Mit einem solchen Grundverständnis anwaltlicher Tätigkeit lasse sich eine Kanzleibezeichnung mit einem reinen Fantasienamen nicht in Einklang bringen.

(Fundstelle: NJW 2003, 2245 f.)

UWG §§ 1, 3; BORA § 6 II; BRAO § 43 b

Irreführende Werbung in anwaltlichem Rundschreiben

OLG Braunschweig, U. v. 31. Oktober 2002 - 2 U 33/02 -

1.
Die Werbung eines Rechtsanwalts in einem Rundschreiben an verschiedene Autohäuser mit den Begriffen „Fachanwalt für Verkehrsrecht“ und „Spezialisierungslehrgang“ ist irreführend nach § 3 UWG. Genauso wie das eigenmächtige Führen einer Fachanwaltsbezeichnung als irreführende Werbung anzusehen ist, so täuscht auch derjenige über seine Qualifikation, der einen Qualifikationsgrad vorgibt, den er nicht hat.

2.
Es ist mit dem Sachlichkeitsgebot nicht vereinbar, wenn sich ein Rechtsanwalt in einem werbenden Rundschreiben nicht nur als Verkehrsanwalt oder verkehrsrechtlich spezialisierter Anwalt darstellt, sondern sich unmittelbar mit nicht spezialisierten Anwälten vergleicht und hierbei eine fast im­mer anzutreffende höhere Erfolgsquote für sich in Anspruch nimmt.

Der beklagte Rechtsanwalt, der der Arbeitsgemeinschaft „Verkehrsrecht im DAV“ angehört, versandte an verschiedene Autohäuser Rundschreiben folgenden Inhalts:

„Informationen über verkehrsrechtliche Spezialisierung. Sehr geehrte Damen und Herren, der Unterzeichner wendet sich heute an Sie in seiner Eigenschaft als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltsverein. ... In Erwartung der Einführung der Berufsbezeichnung „Fachanwalt für Verkehrsrecht“ hatte die Arbeitsgemeinschaft „Verkehrsrecht“ in Zusammenarbeit mit der Deutschen Anwalt Akademie einen Spezialisierungslehrgang durchgeführt, an dem ich erfolgreich teilgenommen habe. Sie wissen ja, wer sich durch einen Verkehrsanwalt vertreten lässt, erhält fast immer höhere Entschädigungszahlungen als Geschädigte ohne spezialisierten Rechtsbeistand. Seit mehr als 20 Jahren bin ich als Rechtsanwalt in besonderem Umfang auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts tätig und würde mich freuen, wenn Sie Ihre Kunden darüber informieren könnten. Mit freundlichen Grüßen, Rechtsanwalt“.

Nach Ansicht des Gerichts ist die Darstellung des Beklagten über seine Qualifikation irreführend gem. § 3 UWG. Ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs ziehe aus dem Inhalt des Rundschreibens den unzutreffenden Schluss, die Einführung der streitigen Berufsbezeichnung „Fachanwalt für Verkehrsrecht“ stehe unmittelbar bevor. Wenn in diesem Zusammenhang ausgeführt werde, man habe bereits einen Spezialisierungslehrgang erfolgreich absolviert, sei dies so zu verstehen, dass es sich hierbei um die zur Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung erforderlichen Fortbildung, also den Fachanwaltslehrgang, gehandelt habe. Hieran knüpfe der Verkehr die weitere Überlegung, der Beklagte habe den für die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung notwendigen Qualifikationsstand erreicht habe, sei mithin „Quasi – Fachanwalt“, für den die Verleihung dieser Bezeichnung nur noch Formsache sei, nämlich von der in Kürze bevorstehenden Einführung der Fachanwaltsbezeichnung abhänge. Genauso wie aber das eigenmächtige Führen einer Fachanwaltsbezeichnung als irreführende Werbung anzusehen sei, täusche auch derjenige über seine Qualifikation, der einen Qualifikationsgrad vorgibt, den er nicht hat.

Des Weiteren sei es mit dem Sachlichkeitsgebot gem. §§ 43 b BRAO, 6 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 BORA nicht zu vereinbaren, sich unmittelbar mit nichtspezialisierten Anwälten zu vergleichen und hierbei eine fast immer anzutreffende höhere Erfolgsquote für sich in Anspruch zu nehmen. Dies sei eine unzulässige pauschale Herabsetzung der nicht auf Verkehrsrecht spezialisierte Rechtsanwälte. Das Sachlichkeitsgebot verlange, dass der Werbende dem unkundigen Publikum die wesentlichen, dem Vergleich zu Grunde liegenden tatsächlichen Umstände mitteilen müsse. Er dürfe nicht hiervon absehen und stattdessen eine Gesamtabwertung vornehmen, die der Verkehr nicht nachprüfen könne. Das Publikum dürfe auch nicht – wie vorliegend geschehen – mit einprägsamen Schlagworten verleitet werden, sich von einer als unterlegen dargestellten Art der Leistungserbringung abzuwenden. Der Beklagte könne für die von ihm beanspruchte Überlegenheit nicht allein auf die von ihm hervorgehobene Spezialisierung abstellen, da es jedenfalls in Fachkreisen allgemein bekannt sei, dass Spezialisierung allenfalls ein Baustein für anwaltlichen Erfolg sei. Dem angesprochenen Verkehr werde das unzutreffende Verständnis nahegelegt, nur der vom Beklagten herausgestellte Verkehrsanwalt verfüge über das notwendige Handwerkszeug zur optimalen Erledigung von Verkehrsunfallprozessen, während ein nicht spezialisierter Rechtsanwalts allenfalls eingeschränkt zur Interessenvertretung in der Lage sei.

Zugleich sie die Werbeaussage auch deshalb nach § 3 UWG zu beanstanden, weil sie eine irreführende Erfolgsaussage treffe. „Fast immer“ suggeriere dem angesprochenen Verkehr nämlich, Verkehrsanwälte würden mit einem Prozentsatz von nahe an 100 für ihre Mandanten mehr an Entschädigungszahlungen aus vergleichbaren Fallgestaltungen herausholen als nicht entsprechend spezialisierte Rechtsanwälte.

Der letzte Absatz des Werbeschreibens („ ... würde mich freuen, wenn Sie Ihre Kunden darüber informieren könnten“) verstoße auch gegen § 6 Abs. 5 BORA, wonach der Rechtsanwalt nicht daran mitwirken darf, dass Dritte für ihn Werbung betreiben, die ihm selbst verboten ist. Die Werbeaussage ziele ersichtlich auf eine dem Anwalt sonst nicht ohne Weiteres zugängliche Präsenz in einer Situation ab, die typischerweise durch das unabweisbare Bedürfnis nach einer Mandatserteilung im Einzelfall geprägt sei, nämlich dadurch, dass der Umworbene als Unfallgeschädigter einen konkreten Beratungs- und / oder Vertretungsbedarf hat und der Werber sich eines Autohauses als Mittler bedient, um den Umworbenen in dieser Situation seine Tätigkeit konkret anzubieten.

(Fundstelle: NJW-RR 2003, 686 ff.)

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