KG zur irreführenden Werbung durch qualifizierende Zusätze

Die Bezeichnung als „Expertenkanzlei Scheidung“ ist nicht grundsätzlich unzulässig

Eine Anwältin hatte ihre Kanzlei auf ihrer Internetseite als „Experten-Kanzlei Scheidung“ bezeichnet. Hierin erblickte das LG Berlin eine irreführende Werbung. Eine derartige Angabe werde vom rechtsuchenden Bürger dahingehend verstanden, dass in der betreffenden Kanzlei ausschließlich Experten tätig seien. Von einem „Experten“ erwarte der Verbraucher, dass dieser sogar eine höhere Qualifikation besitzt als ein auf demselben Rechtsgebiet tätiger Fachanwalt. Dieser Auffassung folgte das KG nicht. Ein Verbraucher verstehe eine entsprechende Werbung zwar dahingehend, dass in der beworbenen Kanzlei Experten für „Scheidung“ tätig sind, was nahe läge, dass die zu dieser Kanzlei gehörende Anwältin eine Expertin im Bereich „Scheidung“ ist. Indes stimmte das KG nicht der Beurteilung der Vorinstanz zu, dass die von der Anwältin geweckten Erfahrungen nicht der dargelegten Qualifikation entsprächen. Im Verfahren hatte die Anwältin vorgetragen, seit Jahren nahezu ausschließlich auf dem Gebiet des Familienrechts tätig gewesen zu sein und bereits zu Beginn ihrer Berufstätigkeit ein bestehendes familienrechtliches Dezernat mit ca. 400 laufenden Akten allein übernommen zu haben. Seit Beginn ihrer Tätigkeit habe sie im Familienrecht über 600 Mandate, 300 Fälle allein im Scheidungsrecht, vertreten. Soweit diese Angaben von der Rechtsanwaltskammer mit Nichtwissen bestritten worden sind, reiche dies nicht aus, da die Kammer als Anspruchstellerin für das Vorliegen einer Irreführung und damit auch für die Abweichung der Wirklichkeit von der Werbeaussage beweispflichtig sei. Dem KG genügten die von der Anwältin vorgetragenen beruflichen Erfahrungen, um der mit der Werbung geweckten Erwartungshaltung der Rechtsuchenden zu genügen. Zudem stellte das KG klar, dass entgegen der Auffassung des LG Berlin ein Adressat der im Streit stehenden Werbung keine Qualifikation erwarte, „die im Hinblick auf die theoretischen Kenntnisse und die praktischen Erfahrungen mehr als die Anforderungen erfüllt, die an einen Fachanwalt des entsprechenden Gebiets zu stellen sind.“

KG, Urt. v. 27.1.2012 – 5 U 191/10