Der Fortbildungsnachweis nach § 15 FAO in der Kammerpraxis
von Rechtsanwalt Christoph Podszun, Dortmund

I.  Einleitung

Das  Berufsrecht  sieht  für  den Fachanwalt die Fortbildungspflicht  aus § 43 c Abs. 4 BRAO, § 15 FAO vor. In § 15 FAO ist die Fortbildungspflicht des Fachanwalts konkretisiert. Hiernach muss, wer eine Fachanwaltsbezeichnung führt, auf diesem Gebiet wissenschaftlich publizieren oder mindestens an einer anwaltlichen Fortbildungsveranstaltung dozierend oder hörend teilnehmen, wobei die Gesamtdauer der Fortbildung 10 Zeitstunden nicht unterschreiten darf. Nach Absatz 3 des § 15 FAO ist die Fortbildung der Rechtsanwaltskammer unaufgefordert nachzuweisen.

Zur Prüfung der Fortbildungsnachweise hat der Vorstand der Rechtsanwaltskammer Hamm 1999 die Abteilung VII geschaffen. Die Abteilung hat über Art und Umfang der Nachweispflicht, über die zu stellenden Anforderungen an eine Fortbildungsveranstaltung im Allgemeinen und über die Anerkennung der Fortbildungsnachweise für die Fachanwaltsgebiete im Besonderen zu entscheiden.

II. Art und Umfang der Nachweispflicht

Zum Nachweis der Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung ist grundsätzlich eine Teilnahmebescheinigung des jeweiligen Veranstalters vorzulegen. Die Abgabe einer eigenen anwaltlichen Versicherung genügt der Nachweispflicht nicht, da es sich im Sinne der ZPO bei der anwaltlichen Versicherung nur um ein Mittel der Glaubhaftmachung, nicht jedoch um ein Beweismittel handelt. Ferner ist es nicht ausreichend, allein die Anmeldung zu einer Fortbildungsveranstaltung vorzulegen. Ebenso verhält es sich mit der Vorlage einer Teilnehmerliste oder einer Anmeldebestätigung zusammen mit einer Rechnung über die Seminargebühren. Auch eine Reisekostenabrechnung gegenüber der Sozietät ist kein ausreichendes Nachweismittel.

Aus der Teilnahmebescheinigung des Veranstalters müssen sich Ort, Thema, Zeitpunkt und Referent der Fortbildungsveranstaltung ergeben. Auch die Anzahl der Fortbildungsstunden muss ersichtlich sein, wobei Pausenzeiten nicht mit eingerechnet werden dürfen.

In der Teilnahmebescheinigung muss der teilnehmende Fachanwalt namentlich aufgeführt sein; eine allgemeine Adressierung an eine Sozietät ist nicht ausreichend. Werden bei einer Veranstaltung mehrere Fortbildungsmöglichkeiten gleichzeitig angeboten (z.B. beim DeutschenAnwaltsTag (DAT) oder beim Deutschen Juristentag (DJT)), muss sich aus der Teilnahmebescheinigung ergeben, welches Seminar zu welcher Zeit besucht wurde. Nur die Bescheinigung über die grundsätzliche Teilnahme am DAT oder DJT kann als Fortbildungsnachweis nicht anerkannt werden.

Für Dozenten gilt das Vorstehende entsprechend. Auch Dozenten haben eine Bescheinigung des Veranstalters vorzulegen, die den oben genannten Kriterien entspricht. Die Einreichung von Seminarankündigungen, Zeitplänen über den Seminarablauf oder aber auch angefertigten Übersichten des Dozenten zu der eigenen Vortragsreihe sind ebenso wenig als Fortbildungsnachweis anzuerkennen, wie selbst zusammengestellte tabellarische Übersichten auf einer Internethomepage mit Angaben zu Ort, Zeit und jeweiligem Veranstalter der Seminare. Dabei kann nur die reine Vortragszeit angerechnet werden. Die Vorbereitungszeit ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 15 FAO nicht anerkennungsfähig.

Hält der Dozent dasselbe Seminar mehrmals innerhalb eines Jahres, ist jede dieser Veranstaltungen voll umfänglich als Fortbildung auf dem jeweiligen Fachgebiet anzusehen. Dabei wird berücksichtigt, dass der Dozent seinen Vortrag in der Regel durch Einarbeitung neuer Rechtsprechung und Aufsätze aktuell halten wird. Zum anderen ist aber auch durch Rückfragen der Teilnehmer gewährleistet, dass der Inhalt des Seminars auch bei mehreren Wiederholungen – wenn auch manchmal nur gering – variieren wird. 

III. Kalenderjährliche Fortbildung

§ 15 FAO sieht eine jährliche Fortbildung auf dem jeweiligen Fachgebiet vor. Die Nachweispflicht bezieht sich auf das Kalenderjahr. Weist ein Fachanwalt für ein Jahr mehr als 10 Zeitstunden nach, kann die über 10 Zeitstunden hinausgehende Fortbildung nicht für das Folgejahr vorgetragen werden. Die Fortbildungspflicht für das Folgejahr bleibt auch bei einer überobligatorischen Fortbildung im Vorjahr bestehen. Dies gilt auch für Veranstaltungen, die der Fachanwalt erst im letzten Quartal eines Kalenderjahres besucht.

IV. Fortbildungsveranstaltung und Teilnehmerkreis

Als Fortbildungsveranstaltung im Sinne des § 15 FAO ist jedoch nicht jede Veranstaltung auf einem bestimmten Rechtsgebiet geeignet. Vielmehr ist unter anderem auch anhand des Kriteriums des Teilnehmerkreises zu überprüfen, ob es sich um eine für einen Fachanwalt qualifizierte Veranstaltung handelt. Dies kommt auch durch die zum 1. Juli 2003 in Kraft getretene Änderung des § 15 FAO zum Ausdruck, nach der nur noch „anwaltliche“ Fortbildungsveranstaltungen den Anforderungen des § 15 FAO genügen. Letztlich war die Einführung des Wortes „anwaltliche“ jedoch nur mit klarstellendem Charakter verbunden. Auch zuvor orientierte sich die Abteilung VII an einem entsprechenden Kriterium.

Das entscheidende Niveau überprüft die Abteilung VII nicht nur anhand der Dozentenauswahl, sondern auch anhand des teilnehmenden Personenkreises. Die hörende oder auch dozierende Teilnahme an Veranstaltungen für juristische Laien, die mit der rechtlichen Materie beruflich noch nicht befasst gewesen sind, stellt für den Fachanwalt in der Regel keine Fortbildung dar, so dass eine Anerkennung nach § 15 FAO ausscheidet. So können kanzleiinterne Veranstaltungen für zukünftige Mandanten grundsätzlich ebenso wenig als Fortbildung angesehen werden wie Veranstaltungen zu familienrechtlichen Themen, die von einer Volkshochschule einem allgemeinen Publikum angeboten werden. Andererseits können selbstverständlich Veranstaltungen auf dem Gebiet des Steuerrechts, die sich an Steuerberater richten, für den Fachanwalt für Steuerrecht als Fortbildung anerkannt werden, auch wenn keine weiteren Rechtsanwälte teilnehmen.

Im Wege der Einzelfallentscheidung überprüft die Abteilung, ob sich die Teilnehmer und deren Erwartungshorizont eher der Laiensphäre oder eher der Expertensphäre zuordnen lassen. So hat z.B. die Abteilung VII für arbeitsrechtliche Veranstaltungen vor Betriebsräten eine Anerkennung ausgesprochen. Eben solches gilt für Veranstaltungen vor Studenten der Rechtswissenschaften auf sämtlichen fachanwaltsrelevanten Gebieten. Auch ein Lehrauftrag an einer Fachhochschule für Studenten der Sozialpädagogik kann ggfls. als Fortbildung auf dem Gebiet des Familienrechts anerkannt werden (Familienrecht für Sozialpädagogen).

Grundsätzlich sind auch sogenannte „Inhouse-Veranstaltungen“, also z. B. kanzleiinterne Seminare, als Fortbildung im Sinne des § 15 FAO anerkennungsfähig. Allerdings ist bei der Anerkennung jeweils auf den Einzelfall abzustellen.

So konnte eine Inhouse-Schulung, die lediglich als Informationsveranstaltung für Mandanten diente, somit keine Vortragsveranstaltung vor Rechtsanwälten darstellte, keine Anerkennung als Fortbildungsveranstaltung finden. Auch einer offensichtlichen Verkaufsveranstaltung für Medizinprodukte eines Referenten, der über keine geeignete Befähigung verfügte, juristische Fortbildungen im Sinne des § 15 FAO abzuhalten, musste die Anerkennung versagt bleiben.

Unabhängig vom Teilnehmerkreis muss es sich jedoch um eine Veranstaltung handeln, die über die Rechtsanwendung hinausgeht und der Fortbildung dient. Daher können weder das Führen von anwaltlichen Beratungsgesprächen, noch die Teilnahme an einer mündlichen Prüfung im juristischen Staatsexamen, noch die Teilnahme an Sitzungen von Fachausschüssen anerkannt werden. Auch Fortbildungsveranstaltungen, die der Eingabeschulung von Computerprogrammen dienen (z.B. familienrechtliche Berechnungen) sind keine fachspezifischen Fortbildungsveranstaltungen und können keine Anerkennung im Sinne des § 15 FAO finden.

Im Übrigen muss die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung nicht in Deutschland erfolgen. Anerkannt werden können auch Veranstaltungen im Ausland. Dabei sind diese Veranstaltungen nicht auf das deutsche Recht beschränkt. So können auch Fortbildungsveranstaltungen z.B. im ausländischen Steuerrecht als Fortbildung Anerkennung finden.

V. Wissenschaftliche Publikationen

Dass auch mit einer wissenschaftlichen Publikation Fortbildung im Sinne des § 15 FAO nachgewiesen werden kann, ist seit der Änderung dieser Norm zum 1. Juni 2003 zweifelsfrei festgestellt. Die Anerkennung einer Publikation als Fortbildung setzt voraus, dass sie sich an Fachpublikum richtet. Wissenschaftliches Publizieren ist z.B. möglich durch die Mitarbeit an Kommentaren, Aufsätzen und durch das Verfassen von Urteilsbesprechungen. Das Verfassen von Artikeln in Tageszeitungen zu allgemein interessierenden rechtlichen Themen kann jedoch nicht als Fortbildung gewertet werden. Für den Zeitpunkt der wissenschaftlichen Betätigung und damit für die Anerkennung als Fortbildungsnachweis kommt es nicht auf das Erscheinungsjahr der Publikation an, sondern auf den Zeitraum und den Zeitpunkt der Bearbeitung.

VI. Fernkurse / Onlinefortbildung

In der Vergangenheit musste die Abteilung VII die Anerkennung von Onlineseminaren als Fortbildung im Sinne des § 15 FAO ablehnen. Grund für die Ablehnung war zum einen eine am Wortlaut des § 15 FAO orientierte Auslegung dieser Norm. Zum anderen war nach dem damaligen technischen Stand der Nachweis einer ständigen Präsenz bei einer Onlinefortbildung nicht sichergestellt.

Nach umfassender Diskussion hat zwischenzeitlich die Satzungsversammlung auch die Möglichkeit der Anerkennung von Onlinefortbildungen gemäß § 15 FAO geschaffen. Die Änderung ist zum 01.03.2010 in Kraft getreten. Danach können Fortbildungsveranstaltungen, die nicht in Präsenzform durchgeführt werden, anerkannt werden, wenn die Möglichkeit der Interaktion des Referenten mit den Teilnehmern sowie der Teilnehmer untereinander während der Dauer der Fortbildungsveranstaltung sichergestellt ist und der Nachweis der durchgängigen Teilnahme erbracht wird. Auch nach der neuen Rechtslage konnte durch die Abteilung noch kein Onlineseminar als Fortbildung nach § 15 FAO anerkannt werden, da es an den gegebenen engen Voraussetzungen fehlte.

VII. Fachspezifische Anerkennung

Eine Anerkennung nach § 15 FAO für ein spezielles Rechtsgebiet setzt voraus, dass die Fortbildung tatsächlich auf diesem jeweiligen Rechtsgebiet stattgefunden hat oder zumindest ein ausreichender Bezug zu diesem Rechtsgebiet besteht. Betrifft ein Seminar nicht das originäre Rechtsgebiet der Fachanwaltschaft selbst, aber vermittelt es gleich wohl allgemein für die anwaltliche Tätigkeit des Fachanwalts auf seinem Fachgebiet nützliche Inhalte, muss dies nicht zwingend zu einer Anerkennung gemäß § 15 FAO führen. Vielmehr muss es sich bei der Fortbildung gemäß § 15 FAO um fachspezifische Fortbildung handeln, der Inhalt muss also dem jeweils einschlägigen Fachgebiet gemäß §§ 8 ff. FAO entsprechen. So können z.B. für das Fachgebiet Steuerrecht (§ 9 FAO) Fortbildungen aus dem Bereich Buchführung und Bilanzwesen einschließlich des Rechts der Buchführung des Jahresabschlusses, Veranstaltungen zum allgemeinen Abgabenrecht einschließlich Bewertungs- und Verfahrensrecht, Seminare zum besonderen Steuer- und Abgabenrecht in den Bereichen Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer, Umsatzsteuer- und Grunderwerbsteuerrecht, Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht absolviert werden. Anerkannt werden ebenso die Seminare zu den Grundzügen des Verbrauchsteuer-, Außensteuer- und des Steuerstrafrechts. Hingegen sind Veranstaltungen allein zum Gesellschaftsrecht, die keine weiteren Bezüge zum Steuerrecht aufweisen, nicht für sich als Fortbildung auf dem Gebiet des Steuerrechts anerkennungsfähig (so auch Beschluss des Gesamtvorstandes vom 05.09.2007).

Zudem kann die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung nicht kumulativ gleichzeitig für zwei Fachanwaltsbezeichnungen angerechnet werden. Selbst wenn die Veranstaltung für beide Fachgebiete geeignet gewesen ist, hat der Fachanwalt nur ein Wahlrecht, zugunsten welcher Fachanwaltschaft eine Anrechnung erfolgen soll. So kann ein z.B. 10-stündiges Seminar zum Steuerstrafrecht mit 10 Stunden auf das Steuerrecht oder mit 10 Stunden auf das Strafrecht anerkannt werden, nicht jedoch für beide Fachgebiete mit jeweils 10 Zeitstunden. Ferner ist selbstverständlich auch eine anteilige Aufteilung auf die beiden betroffenen Fachanwaltschaften möglich.

Nach Vorlage der Fragestellung durch die Abteilung VII an den Gesamtvorstand ist von diesem zudem entschieden worden, dass der Fortbildungsnachweis gemäß § 15 FAO auch mit dem Besuch einer Veranstaltung geführt werden kann, die originär dem Nachweis der theoretischen Kenntnisse zum Erwerb einer weiteren Fachanwaltsbezeichnung dient. Ein Fachanwaltslehrgang kann daher sowohl auf dem einen Rechtsgebiet zum Nachweis der theoretischen Kenntnisse gemäß § 4 FAO als auch auf einem anderen Rechtsgebiet als Nachweis der jährlichen Fortbildung gemäß § 15 FAO doppelt anerkannt werden.