Mindestlohn für Rechtsanwälte! Diskussionsbeitrag und Plädoyer für eine neue Festlegung

von Rechtsanwalt Frank Eimers, Bocholt

§ 26 Abs. 1 BORA legt fest, dass Rechtsanwälte nur zu angemessenen Bedingungen beschäftigt werden dürfen

Seit Jahren steigt die Zahl zugelassener Rechtsanwälte. Dies führt dazu, dass sich die Konditionen für Berufseinsteiger ohne besondere Qualifikationen mitunter deutlich verschlechtern[21]. Daher stellt sich immer häufiger die Frage, was sich unter „angemessenen Bedingungen“ in finanzieller Hinsicht verbirgt. Dabei ist insbesondere die finanzielle Untergrenze von Interesse. Zuletzt hat der Vorstand des DAV eine Entscheidungshilfe zu § 26 Abs. 1 BORA beschlossen[22], ohne jedoch eine finanzielle Untergrenze für Berufseinsteiger zu definieren. Gleichwohl wurde darin auf die in Urteilen erfolgte Bezifferung und den Vorschlag des DAV-Vorstandsmitglieds Beckmann hingewiesen[23].

Beckmann definiert 1.800 €[24] als angemessene Untergrenze für ein Monatsgehalt[25], weil mehr als 1.800 € bis 2.000 € für viele Arbeitgeber nicht bezahlbar sei[26]. Es geht Beckmann nach eigenen Angaben darum, „ein realistisches Mittelmaß zu finden, welches den Ausgleich zwischen den Möglichkeiten der arbeitgebenden Anwälte einerseits und der Lebenssituation der Junganwälte (30 Jahre, oft schon verheiratet mit Kindern)“ andererseits herbeiführt. Für den damit auch angesprochenen alleinverdienenden Junganwalt[27] mit Frau und zwei Kindern ergibt dies ein Nettoeinkommen in Höhe von ca. 1.450 € monatlich[28]. Erst das Kindergeld (je Kind 184 €) führt dazu, dass dem Junganwalt die Beantragung von ergänzenden Hartz IV-Leistungen erspart bleibt. Dem Junganwalt und seiner Familie bleiben monatlich netto ca. 224 € mehr als einem Hartz IV-Leistungsempfänger[29]. Es liegt auf der Hand, dass dies für einen Rechtsanwalt kein angemessenes Einkommen darstellen kann. Daher ist nicht alles, was „bezahlbar“ ist, auch gleichzeitig „angemessen“ i.S.d. § 26 Abs. 1 BORA.

Soweit ersichtlich hat erstmals der AGH NRW die „angemessene“ Untergrenze des § 26 Abs.1 BORA festgelegt, und zwar mit monatlich 2.300 €[30] für 50 Arbeitsstunden[31] pro Woche. Insoweit beziffert die Rechtsanwaltskammer Stuttgart - das Urteil quasi vorwegnehmend - die Untergrenze bereits seit längerem mit 10 € pro Stunde[32]. Die in vorherigen Urteilen erfolgte Bezifferung bezog sich nicht auf  „angemessen“ in  § 26 Abs. 1 BORA. Vielmehr handelte es sich um die übliche[33] bzw. hypothetisch zu erwartende[34] Vergütung. Sagel schlägt vor, das Unterschreiten der ortsüblichen Durchschnittsgehälter um 30% als unangemessen einzustufen[35]. Da auch der AGH NRW bei der Definition einer angemessenen Mindestvergütung in seiner Urteilsbegründung auf die hypothetisch zu erwartenden Vergütung und auf eine Studie zum durchschnittlichen Einstiegsgehalt[36] abstellt, stellt sich die Frage, ob übliche oder durchschnittliche Gehälter auch stets angemessen im Sinne des § 26 Abs. 1 BORA sind. 

Die Folge wäre, unterstellt man dies, dass eine weitere Verschlechterung der Konditionen für Berufseinsteiger ohne besondere Qualifikationen auch dazu führen würde, dass die berufsrechtlich zu zahlende Mindestvergütung sinkt[37]. Die zu zahlende Mindestvergütung würde dem Durchschnittsgehalt und damit nur dem Vergütungsniveau des Freien Marktes folgen. Durchschnittliche Gehälter sind somit nicht unbedingt dauerhaft auch berufsrechtlich angemessen.

Der BGH hat den Beschluss des AGH NRW bestätigt[38]. Die „angemessene“ Untergrenze des § 26 Abs. 1 BORA hat der BGH jedoch nicht festgelegt und damit auch die vom AGH NRW genannte Untergrenze nicht bestätigt. Dazu gab der Verfahrensgegenstand auch keinen Anlass. Der BGH betont in seinem Beschluss, dass die Abgrenzung angemessener von nicht angemessenen Beschäftigungsbedingungen eine umfassende Würdigung aller für die Beurteilung maßgeblichen Umstände voraussetzt. Der BGH beschränkt sich darauf, festzustellen, dass unangemessene Beschäftigungsbedingungen im Sinne des § 26 BORA jedenfalls dann anzunehmen sind, wenn objektiv ein Verstoß gegen § 138 BGB vorliegt, wobei es im Rahmen des § 26 BORA keiner verwerflichen Gesinnung des Begünstigten bedarf. Dass eine Vergütung, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der geforderten Leistung steht, auch berufsrechtlich unangemessen ist, liegt auf der Hand. Der Regelungsgehalt des § 26 BORA ist jedoch nicht darauf beschränkt, objektiv sittenwidrige Vergütungen zu verhindern, denn auch Vergütungen oberhalb der Sittenwidrigkeitsgrenze sind nicht stets „angemessen“.

Eine angemessene Mindestvergütung erfordert nach diesseitiger Auffassung vielmehr eine Höhe, die mit dem Stand des Rechtsanwaltes vereinbar ist. Als Organ der Rechtspflege soll der Rechtsanwalt insbesondere unabhängig sein[39]. Ein gewisses Mindestmaß an finanzieller Ausstattung sichert auch die (nicht nur finanzielle) Unabhängigkeit angestellter Rechtsanwälte[40] und ist auch erforderlich, damit ein Rechtsanwalt Mandanten unabhängig beraten kann. Zudem dient eine entsprechende Untergrenze auch dem Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt[41]. Erst eine diesem Anspruch genügende Vergütung ist mit dem Stand eines Rechtsanwaltes vereinbar und ist angemessen im Sinne des Berufsrechts.

In der Praxis braucht man konkrete Zahlen. Daher ist die Anknüpfung an die übliche und durchschnittliche Vergütung nachvollziehbar. Nach diesseitiger Auffassung ist die angemessene Vergütung jedoch eigenständig und damit unabhängig von der üblichen oder durchschnittlichen Vergütung zu bestimmen[42] und sollte in der Regel 15 € pro Stunde nicht unterschreiten[43]. Das wären monatlich 2.600 € bei einer 40-Stunden-Woche bzw. monatlich 3.120 € bei einer 48-Stunden-Woche.

[1] Degen/Diem, Anwaltsstrategien für das Kanzleimanagement, 2007, Seite 31 ff. (Die Autoren haben Beispiele abgedruckt zum Organigramm eines Einzelanwalts und einer kleineren Sozietät. Dabei differenzieren sie nach dem Sekretariats- und dem Office-Manager-Prinzip). 

[2] Salamon, Büroorganisation Rechtsanwälte, 2010, Seite 110 – 111 (Ein Muster einer Arbeitsanweisung zum Postausgang incl. Telefax- und E-Mail-Kommunikation ist abgedruckt).

[3] Eine Möglichkeit der Optimierung von Arbeitsabläufen könnte eine Zertifizierung sein. Dazu: Anker/Seitz, Erste praktische Erfahrungen der Zertifizierung einer Anwaltskanzlei gemäß Qualitätsmanage-mentnorm DIN EN ISO 9001, AnwBl. 1996, S. 372.

LG Köln, Urt. vom 03.02.2009 (Az.: 33 O 353/08) in BRAK-Mitt. 2/2009, S. 91 ff. zur unzulässigen Werbung für Anwaltszertifizierung („DEKRA Certifikation GmbH“).

Salamon, ISO 9000/Zertifizierung, Management Systeme und rechtliche Relevanz für Unternehmen, Mitarbeiter und Geschäftspartner, unter www.ihk.duisburg.de

[4] Salamon, Büroorganisation Rechtsanwälte, 2010, Seite 17.

[5] Die BRAK hat aktuell im März 2010 Vorschläge zur Verbesserung der Akzeptanz des elektronischen  Rechtsverkehrs unter Rechtsanwälten formuliert. Abrufbar unter: www.brak.de („Presseerklärungen“, „elektronischer Rechtsverkehr“).

[6] Berufsrechtliche Sanktionen für „Fortbildungsmuffel“ gibt es (noch) nicht.

[7] Salamon, Büroorganisation Rechtsanwälte, 2010, Seite 167 ff. (mit Beispielen und zahlreichen Nachweisen).

[8] Zu der häufigen Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen z.B. das Fristenmanagement auf Mitarbeiter übertragen werden darf: Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 29. Aufl., 2008, § 233 RN 15 ff.

Jungk, Chab, Grams, BRAK-Mitt. 4/2009, Seite 168, 169 (Überblick über aktuelle Entscheidungen zur Fristenproblematik).

Grams, Berufseinstieg, Grundzüge der Anwaltshaftung (2. Teil), BRAK-Mitt. 2/2001, S. 76, 77.

BGH NJW 2006, S. 1520 (Delegation der Fristenüberwachung nur an fachlich versierte und absolut zuverlässige Mitarbeiter).

Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 7. Aufl., 2005, Seite  498.

[9] Die ReNoPat-Ausbildungsverordnung kann auf der homepage der RAK Hamm (Menüpunkt „Ausbildung“, Unterpunkt „ReNo-Ausbildung“)  nachgelesen und/oder ausgedruckt werden.

[10] Die Anlage zu § 9 ReNoPat-Ausbildungsverordnung kann auf der homepage der RAK Hamm (Menüpunkt „Ausbildung“, Unterpunkt „ReNo-Ausbildung“) nachgelesen,  und/oder ausgedruckt werden.

[11] BGHZ 38, S. 6 (11).

BVerfG, Beschluss vom 23.08.2005, Zulassung – Widerruf wegen Verletzung der Kanzleipflicht, BRAK-Mitt.  6/2005, S. 275.

[12] Zur Klarstellung: Ein „E-Büro“ entbindet nicht von der Verpflichtung, binnen drei Monaten nach der Zulassung eine Kanzlei einzurichten (einen Kanzleisitz nachzuweisen) gem. §§ 27 Absatz 1, 14 Absatz 3 Nr. 1 BRAO i.V.m. § 5 BORA. Lesenwert dazu: Stellungnahme Nr. 38/2005 vom Juni 2005 des Deutschen Anwaltvereins durch den Verfassungsrechtsausschuss. Abrufbar unter: www.anwaltverein.de.

Das „Outsourcing bei Trägern von Berufsgeheimnissen“ ist unter Berücksichtigung der Verschwiegenheitspflicht nur als zulässig zu betrachten, wenn entsprechende Verschwiegenheitsverpflichtungserklärungen unterschrieben und strengstens eingehalten werden. Auch aus datenschutzrechtlicher Sicht stellt sich die Auslagerung von Arbeit problematisch dar.

[13] Salamon, Büroorganisation Rechtsanwälte, 2010, Seite 60 ff. (mit vielen Beispielen und Hinweisen auf Rspr.

und Litr.).

[14] Speidel, Drei Praktikerfragen zum Rechtsanwaltsanderkonto, KammerReport Hamm, 4/2009, S. 10 ff. 

Salamon, Büroorganisation Rechtsanwälte, 2010, Seite 190 ff.

[15] Bei § 43 BRAO stellt sich die Frage, ob diese Vorschrift mangels Bestimmtheit überhaupt konkrete Pflichten des Anwalts begründet oder nur im Zusammenhang mit anderen gesetzlichen Regelungen vom Anwalt zu beachtende Pflichten statuiert. Aktuell dazu: Schulz, Anwaltliche Berufspflichtverletzung durch den Abschluss sittenwidriger Vergütungsvereinbarungen ?, BRAK-Mitt. 372010, S. 112 ff. 

[16] Wie vor.

[17] Ausgehend von der Vielzahl einschlägiger Gerichtsentscheidungen dürften Fehler bei der  Fristenkontrolle in Rechtsanwaltskanzleien die haftungsträchtigsten sein. Etwa 40 % aller Fehler, die bei der Bearbeitung von Mandaten zu verzeichnen sind, betreffen die Versäumnis von Fristen. Davon entfallen wiederum ca. 40 % der Fälle auf die Versäumung von Prozessfristen, insbesondere Rechtsmittelfristen (Berufungs- und Berufungsbegründungsfristen, Beschwerdefristen und die Einspruchsfrist gegen Versäumnisurteile). Weil gerade diese Fristen „eigentlich“ allgemein bekannt sind, liegen die Fehler der Fristversäumnis überwiegend in der Kanzleiorganisation (unterlassene Notierung, fehlerhafte Ermittlung des Fristbeginns, fehlerhafte Berechnung, unzureichende Fristenüberwachung). Im Zweifelsfall sollte daher jeder Rechtsanwalt selbst Fristen und Termine eintragen, kontrollieren und bewältigen.

[18] Salamon, Büroorganisation Rechtsanwälte, 2010, Seite 207 ff. zu den Kommunikationsmitteln und Formerfordernissen.

[19] Dazu zählen z.B. die Frage der Anwendbarkeit des Datenschutzes in Anwaltskanzleien, neue Kommunikationsformen (digitale Signatur, Computerfax mit eingescannter Unterschrift), Auskunftspflichten ggü. dem Finanzamt, Datenbanken, § 15a RVG und viele andere mehr. Zu alle dem: Salamon, Büroorganisation Rechtsanwälte, 2010.

[20] Im KammerReport Hamm 3/2010, Seite 27 ff. können in der Rubrik „Neues zum Berufsrecht“ Einzelheiten zur DL-InfoV nachgelesen werden.

[21] vgl. dazu „Advokatur und Ausbeutung“ von Seul in NJW 2002, 197.

Viel Angebot und wenig(er) Nachfrage. Während z.B. bei Medizinern das Angebot durch wenige Studienplätze knapp gehalten wird, ist eine Reduktion von juristischen (und im Vergleich für die Länder viel kostengünstigeren) Studienplätzen nicht geplant und es wird weiter massiv über Bedarf ausgebildet. Trotz der daraus resultierenden Nachteile für künftige und jetzige Rechtsanwälte ist nicht ersichtlich, dass sich der DAV und die Kammern in gebotener Weise für eine Reduktion einsetzen. Viele mehr oder weniger offene Beschränkungsvorschläge setzen erst sehr viel später an, z.B. im Rahmen der Umsetzung des Bologna-Prozesses. Vertiefungen sind im Rahmen dieses Diskussions-beitrages nicht möglich.

[22] AnwBl 2010, 202.

[23] „Mindestlohn für Rechtsanwälte“ von Beckmann in AnwBl 2009, 102.

[24] Soweit ersichtlich, wird Beckmann mit seinem Vorschlag nicht unterboten. Wobei sich die Untergrenze offenbar auf eine 50-Stunden-Woche bezieht und mithin ein (Mindest-) Stundenlohn von 8,31 € brutto gemeint ist. Schließlich hält Beckmann 2.300 € bei einer 50-Stunden-Woche für zu hoch. Das entspräche in etwa der aktuellen Forderung des DGB nach einem gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 €. Die in diesem Diskussionsbeitrag erörterte Untergrenze bezieht sich ausschließlich auf das erste Berufsjahr.

[25] Alle Werte in diesem Diskussionsbeitrag sind, soweit nicht anders angegeben, Bruttowerte.

[26] Zu Recht weist Beckmann darauf hin, dass Arbeitgeber Berufseinsteiger nicht immer ausbeuten möchten, sondern sich diese mitunter häufig schlicht keine höhere Bezahlung leisten können. Eine der Ursachen hierfür dürfte ebenfalls an dem durch die Anwaltszunahme kleiner werdenden Kuchen liegen.

[27] Die männliche Form Anwalt wird lediglich aus Gründen der Lesbarkeit benutzt. Dies gilt selbstverständlich auch gleichermaßen für die alleinverdienende Junganwältin mit Mann und zwei Kindern.

[28] Zugrundegelegt wurde: Steuerklasse III, zwei Kinderfreibeträge, Kirchensteuerpflicht und die vollständige Rückerstattung der gezahlten Lohnsteuer.

[29] Zugrundegelegt wurde: 518 € Wohnkosten beim Hartz IV-Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern (unter 7 Jahre), mithin ein Leistungsanspruch von 1.594 € monatlich. Freilich fällt die Rechnung anders aus, wenn der Junganwalt z.B. Fahrtkosten zur Arbeitsstelle aufbringen muss.

[30] NJW 2008, 668; Dort jedoch nur „Richtmaß“ genannt. Ausdrücklich wird darin geurteilt, dass ein Bruttogehalt von 1.000 € unangemessen im Sinne des § 26 Abs. 1 BORA ist. Wie der Vorstand des DAV in der Entscheidungshilfe, geht auch der Autor davon aus, dass mit „Richtmaß“ die Untergrenze des in der Regel „Angemessenen“ definiert werden sollte.

[31] Dies ergibt einen Stundenlohn von 10,62 €; Dass die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden wöchentlich für Angestellte in Anwaltskanzleien häufig nicht beachtet wird, ist zutreffend. Dies sollte jedoch nicht kommentarlos hingenommen werden. Gerade Anwaltskanzleien stünde „Compliance“ gut zu Gesicht.

[32] vgl. Internetpräsenz der RAK Stuttgart unter: Berufsrecht. Dem Autor ist nicht bekannt, ob alle Kammern berufsrechtlich eingreifen, wenn ein Stundenlohn von 10 € pro Stunde unterschritten wird, wie dies bei der RAK Stuttgart der Fall ist.

[33] Das LAG Hessen hielt für den streitgegenständlichen Zeitraum (1996-1998) einen Stundenlohn in Höhe von 18,46 DM für „üblich“; NJW 2000, 3372.

[34] Das OLG München erwartete hypothetisch für einen Berufsanfänger 1997/98 monatlich 4000 DM NJW 2007, 1005. Das wären bei einer 50-Stunden-Woche 18,46 DM pro Stunde (10,62 € in heutigen Werten).

[35] „Wie angestellte Junganwälte angemessen vergüten?“ von Sagel in AnwBl 2008, 127. Damit würden keine berufsrechtlich angemessenen Konditionen mehr vorliegen, wenn die Vergütung objektiv gegen § 138 BGB verstößt (wobei § 138 BGB ein Unterschreiten von einem Drittel des allgemeinen Lohnniveaus in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet erfordert). Der Regelungsgehalt des § 26 Abs. 1 BORA würde sich darauf beschränken, dass auf die „verwerfliche Gesinnung“, die § 138 BGB erfordert, verzichtet werden kann und dennoch ein Verstoß gegen §  26 Abs. 1 BORA vorliegt.

[36] „Berufliche Situation junger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte“ in BRAK-Mitt. 2006, 55 ff.

[37] Berücksichtigt man nur die wechselseitigen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, so könnte man dies bis zu einer gewissen Grenze als vertretbar erachten. Angesichts der absehbar weiter zunehmenden Anzahl von Rechtsanwälten könnte dies zu einer Abwärtsspirale führen und das Durchschnittsgehalt könnte (u.a. durch dauerhaft fehlenden Inflationsausgleich) theoretisch bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit sinken, ohne dass der § 26 Abs. 1 BORA dies effektiv verhindern würde.

[38] BGH, Beschl. v. 30.11.2009, Az. AnwZ (B) 11/08.

[39] Letztlich sind alle Grundpflichten des Rechtsanwaltes nach Auffassung des Autors auch Ausfluss des Ideals der Unabhängigkeit oder dienen der Unabhängigkeit jedenfalls mittelbar.

[40] Dies bedeutet selbstverständlich im Umkehrschluss nicht, dass fehlendes –sicheres- Einkommen die Unabhängigkeit negativ beeinflussen muss; ebenso wenig wie die Abhängigkeit von wenigen großen Mandanten die Unabhängigkeit des Anwalts beeinflussen muss und darf. Doch inhaltliche Unabhängigkeit kann sich nur umfassend entfalten, und auch das erforderliche Maß an Gelassenheit ist erst vorhanden, wenn auch ein Mindestmaß an persönlicher finanzieller Unabhängigkeit - frei von Existenzsorgen - vorhanden ist.

[41] Ein Rechtsanwalt, der neben einer Vollzeitstelle am Wochenende (soweit er dies nicht in der Kanzlei verbringt) einer (vereinbaren) Nebentätigkeit zur Existenzsicherung nachgehen muss -  und sei es auch nur zeitweise - beeinträchtigt letztlich das Ansehen der gesamten Anwaltschaft in der Bevölkerung.

[42] Bis auf Weiteres dürfte es bei den vom AGH NRW bezifferten 10,62 € pro Stunde (jeweils unter Berücksichtigung der allgemeinen Teuerung) bleiben. Der Autor hält jedoch eine neue, höhere Festlegung für angemessen.

[43] Man muss sich vor Augen halten, dass Zeitarbeitstarifverträge ca. 7,50 € als Untergrenze für ungelernte Arbeitnehmer vorsehen. Die Tageszeitung „Die Welt“ hat online am 07.05.2009 berichtet, dass Fachhochschul- und Universitätsabsolventen nach einer aktuellen Studie mit durchschnittlichen Einstiegsgehältern von 3.300 € monatlich rechnen können. Unter Berücksichtigung der langen und in der Regel teuren Ausbildung und der anerkanntermaßen schwierigen Examen bei Juristen scheint sich dem Autor der Vorschlag von 15 € pro Stunde im ersten Berufsjahr auch für Berufseinsteiger ohne besondere Qualifikationen angesichts der vorgenannten Zahlen und zum Erhalt einer griffigen Summe geradezu aufzudrängen. Trotz mitunter fehlender Vergleichbarkeit erfordert ein angemessene (Mindest-) Vergütung von Rechtsanwälten doch auch eine angemessene Relation zur Vergütung anderer Berufsgruppen, wie z.B. von Ärzten und Steuerberatern. Eine ausgebildete Verkäuferin bei Schlecker erhält 12,37 € pro Stunde.