Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass die bisher geltende Altersgrenze von 70 Jahren für Anwaltsnotarinnen und -notare verfassungswidrig ist. Der 1. Senat des BVerfG stellte fest, dass die Regelung unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG eingreift. Für Nur-Notarinnen und -Notare bleibt die Altersgrenze hingegen bestehen.
Der Fall geht auf eine Verfassungsbeschwerde eines Anwaltsnotars aus Nordrhein-Westfalen zurück. Er wandte sich gegen §§ 47 Nr. 2 Var. 1, 48a Bundesnotarordnung (BNotO), die das Erlöschen des Amtes mit Vollendung des 70. Lebensjahres anordnen. Bereits das OLG Köln und der BGH hatten seine Argumentation zurückgewiesen. In Karlsruhe konnte er sich nun teilweise durchsetzen.
Unterschied zwischen Anwalts- und Nur-Notaren
Das BVerfG begründete seine Entscheidung im Wesentlichen mit dem seit Jahren zu beobachtenden Rückgang an Bewerberinnen und Bewerbern für das Anwaltsnotariat. Zwischen 1998 und 2024 halbierte sich die Zahl der Anwaltsnotarinnen und -notare nahezu. In vielen Regionen bleiben Stellen unbesetzt, obwohl qualifizierte Bewerbungen alle Chancen hätten. Angesichts dieses nachhaltigen Mangels erreiche die Altersgrenze die ursprünglich verfolgten Ziele – Sicherstellung der Funktionstüchtigkeit und faire Verteilung zwischen den Generationen – nur noch in geringem Maße. Der Eingriff in die Berufsfreiheit wiege dagegen schwer.
Das Gericht ordnete eine Übergangsfrist bis zum 30.6.2026 an. Bis dahin gilt die Altersgrenze fort, ausgeschiedene Anwaltsnotarinnen und -notare können sich jedoch erneut bewerben.
BRAK verteidigte Altersgrenze
Im Verfahren hatten zahlreiche Verbände Stellung genommen. Wie das Urteil hervorhebt, vertrat die BRAK die Ansicht, dass die Altersgrenze weiterhin verfassungskonform sei. Sie argumentierte, diese gewährleiste eine angemessene Lastenverteilung zwischen den Generationen. Zudem profitierten ältere Notarinnen und Notare von der wirtschaftlichen Sicherheit einer begrenzten Stellenzahl. Ohne Altersgrenze drohe das Notariat zu überaltern und sich von gesellschaftlichen Realitäten zu entfernen (vgl. Rn. 66 des Urteils).
Der zentrale Unterschied zwischen Gericht und BRAK liegt in der Bewertung der empirischen Tatsachen. Während die BRAK die Altersgrenze aus generalpräventiven Gründen befürwortete, stellte das BVerfG entscheidend auf den nachweisbaren Bewerbermangel ab. Der Gesetzgeber hat nun bis Sommer 2026 Zeit, eine Neuregelung vorzulegen.
Weiterführende Links:
BVerfG; Urt. v. 23.9.2025 – 1 BvR 1796/23
BVerfG, Presseerklärung v. 23.9.2025
BGH, Beschl. v. 13.11.2023 – NotZ(Brfg) 4/22
BGH, Urt. v. 21.8.2023 – NotZ(Brfg) 4/22
OLG Köln, Urt. v. 10.2.2022 – Not 5/21


