BRAO §§ 59 e Abs. 2 S. 1, 59 f Abs. 1

Mehrheitserfordernisse bei einer Rechtsanwaltsgesellschaf

AnwGH München, Urt. v. 25.02.2010 – BayAGH I 25/09 Fundstelle: NJW-Spezial 2010, S. 606

Bei einer Rechtsanwaltsgesellschaft muss die Mehrheit der Geschäftsanteile und Stimmrechte Anwälten zustehen, da das entscheidende Gewicht bei der Willensbilligung stets den Anwälten selbst zukommen muss.

Leitsatz der Schriftleitung der NJW-Spezial

BORA § 7 Abs. 2

„Rechtsanwalt für …“

 AnwGH Schleswig-Hostein, Beschl. v. 05.02.2009 - 2 AGH 6/07 Fundstelle: bisher nicht veröffentlicht

Die Bezeichnung „Rechtsanwalt für Arbeitsrecht“ ist gemäß § 7 Abs. 2 BORA unzulässig, da sie die Gefahr einer Verwechslung mit dem „Fachanwalt für Arbeitsrecht“ begründet und irreführend ist.

Leitsatz des Rezensenten des KammerReports

 

 

Rechtsanwalt Benedikt Trockel

 

 

 

BRAO § 43 c Abs. 1 S. 1; FAO §§ 14 a, 2, 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 h, 6 Abs. 3, 7 Abs. 1, Abs. 2

Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen – „Fachanwalt für Versicherungsrecht“

AnwGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 08.12.2008 – AnwGH 14/08 Fundstelle: NJW 2009, S. 858 f.1.     Für den Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen ist unter anderem die persönliche und weisungsfreie Bearbeitung von mindestens zehn gerichtlichen Verfahren erforderlich. Dabei genügt nicht die schlichte Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs, die ausschließlich zum Bereich des Haftungsrechts gehört, sondern es muss eine spezifische versicherungsrechtliche Implikation und damit ein entsprechender Bearbeitungsschwerpunkt gegeben sein. Dies ist anzunehmen, wenn die privatversicherungsrechtliche Problematik den jeweiligen Streitgegenstand zumindest geprägt bzw. beeinflusst hat.

 

2.     Nicht gewonnene praktische Erfahrungen können nicht durch ein erfolgreiches Fachgespräch ersetzt werden. Dieses ist nur erforderlich, wenn die vorgelegten Unterlagen trotz ihrer Mangelhaftigkeit so viel an Nachweiskraft beinhalten, dass zu erwarten, jedenfalls nicht ausgeschlossen ist, der Antragsteller könne durch Beantwortung diesbezüglicher Fragen die für den Ausschuss bestehenden Zweifel und Unklarheiten beheben.

 

Leitsatz des Gerichts

FAO § 24 Abs. 4 S. 3

Nachmeldung von Fällen im gerichtlichen Verfahren zur Fachanwaltsverleihung

AGH Berlin, Beschl. v. 24.11.2008 – 2 AGH 4/08
Fundstelle: noch nicht veröffentlicht

1.  Eine erstmalig im gerichtlichen Verfahren gegen einen abgelehnten Antrag auf Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung vorgelegte Fallliste kann keine Berücksichtigung finden, wenn der Antragsteller eine ihm im Antragsverfahren gem. § 24 FAO gesetzte Nachfrist mehrfach missachtet hat.5

2.  Etwas anderes könnte gelten, wenn der Antragsteller in der Zeit des gerichtlichen Verfahrens neue Fälle bearbeitet hat und diese in das Verfahren einführen möchte.5

 

Leitsatz des Bearbeiters des KammerReports

 

Anmerkung:

Der Antragsteller hatte einen Antrag auf Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung gestellt. Der zuständige Fachanwaltsausschuss teilte dem Antragsteller im Rahmen der Antragsprüfung mit, er beabsichtige, Fälle zu seinen Ungunsten zu gewichten und deshalb würden die erforderlichen Fallzahlen nicht mehr erreicht. Der Antragsteller wurde zur ergänzenden Stellungnahme und Vorlage von Arbeitsproben unter Fristsetzung aufgefordert. Ebenso wurde ihm Gelegenheit gegeben, innerhalb der Frist Fälle nachzumelden.

Nach erfolglosem Fristablauf erteilte der Fachanwaltsausschuss dem Antragsteller eine inhaltsgleiche Auflage unter erneuter Fristsetzung mit dem Zusatz, dass er nach Fristablauf dem Vorstand die Zurückweisung des Antrags empfehlen werde. Nach erfolglosem Ablauf auch dieser Frist wurde dem Antragsteller erneut die Möglichkeit einer Stellungnahme unter Fristsetzung gewährt. Der Antragsteller beantragte sodann eine Fristverlängerung, ohne allerdings innerhalb der verlängerten Frist Stellung zu nehmen. Der Antrag wurde daraufhin abgelehnt.

Hiergegen erhob der Antragsteller unter Beifügung einer erweiterten Fallliste einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der jedoch keinen Erfolg hatte. Der AGH stellt in den Gründen zwar nicht in Abrede, dass Falllisten, die nach Antragstellung vorgelegt werden, grundsätzlich Berücksichtigung finden können. In dem konkreten Fall könne dem Antragsteller aber nicht mehr die Möglichkeit zur Nachmeldung von Fällen eröffnet werden, da der Antragsteller die ihm mehrmals gesetzte Ausschlussfrist unter grobem Verstoß gegen seine Mitwirkungspflichten versäumt habe. Würde in einem solchen Fall anders verfahren, würde das Setzen einer Nachfrist gem. § 24 FAO überflüssig. Es sei aus diesem Grund nicht ersichtlich, weswegen vom gesetzlich geregelten Fall, dass der Nachweis der praktischen Erfahrungen gegenüber der Rechtsanwaltskammer bei Antragstellung erbracht werden müsse, abgewichen werden solle, wenn der Antragsteller eine Ausschlussfrist mehrfach missachte. Etwas anderes könne aber gelten, wenn der Antragsteller in der Zeit des gerichtlichen Verfahrens neue Fälle bearbeitet habe und diese einführen möchte. Dies war vorliegend aber nicht der Fall.

FAO § 5 S. 1, MuSchG §§ 3, 6

Dreijahreszeitraum eines Fachanwaltsantrags

AGH NW, Beschl. vom 22.08.2008- 1 AGH 39/08
- noch nicht veröffentlicht -

Der Dreijahreszeitraum gemäß § 5 S. 1 FAO verlängert sich um die Zeiten des Beschäftigungsverbotes nach den §§ 3, 6 MuSchG.

Leitsatz des Rezensenten des KammerReports

Anmerkung:

§ 5 S. 1 FAO bestimmt, dass die von dem Antragsteller im Rahmen eines Fachanwaltsantrags nachzuweisenden Fälle innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung in dem jeweiligen Fachgebiet bearbeitet worden sein müssen. Mit dem vorbezeichneten Beschluss hat der AGH NW nunmehr entschieden, dass § 5 S. 1 FAO zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Normen des Grundgesetzes dahingehend auszulegen sei, dass sich der Dreijahreszeitraum um den Zeitraum des Beschäftigungsverbots der §§ 3, 6 MuSchG von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt, insgesamt also derzeit 14 Wochen, verlängere, wenn, wie in dem vorliegenden Fall, die Antragstellerin in dem Dreijahreszeitraum ein Kind zur Welt gebracht habe.

 

 

BRAO § 43 a Abs. 4; BORA § 3

Wahrnehmung widerstreitender Interessen durch Treuhandtätigkeit

AnwG Hamburg, Beschl. v. 10.06.2008 – II AnwG 21/07 = BeckRS 2008, 24192
Fundstelle: NJW-Spezial 2008, S. 766 f.

Lässt sich ein Anwalt unwiderruflich von seinem Mandanten und der Gegenpartei anweisen, auf sein Anderkonto einen Betrag zur Sicherung des Anspruchs der Gegenpartei zu verwahren, verstößt er gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen.

 

Leitsatz des Gerichts

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 8

Unzureichende Freistellungserklärung des Arbeitgebers eines Syndikusanwalts

AnwGH Rheinland-Pfalz, Beschl. vom 30.05.2008 – 1 AGH 10/07 = BeckRS 2008, 20424
Fundstelle: NJW-Spezial 2008, S. 638

 

Es reicht nicht aus, wenn der Arbeitgeber eines Syndikusanwalts diesem lediglich erlaubt, seinen Arbeitsplatz zur Wahrnehmung anwaltlicher Termine zu verlassen, wenn dies seine Tätigkeit als Rechtsanwalt „im Einzelfall zwingend erforderlich macht“.

Leitsatz des Gerichts

 

Anmerkung:

In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Rechtsanwaltskammer nachträglich davon Kenntnis erlangt, dass ein zugelassener Anwalt bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber in einem ständigen Beschäftigungsverhältnis angestellt war. Die daraufhin von dem Rechtsanwalt angeforderte Freistellungserklärung seines Arbeitgebers enthielt die Einschränkung dahingehend, dass der Anwalt berechtigt sei „seine Arbeitstätte zur Wahrnehmung anwaltlicher Termine zu verlassen, wenn dies seine Tätigkeit als Rechtsanwalt im Einzelfall zwingend erforderlich mache“. Der daraufhin erfolgte Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gem. § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO wurde durch den noch nicht rechtskräftigen Beschluss des Anwaltsgerichtshofs Rheinland-Pfalz bestätigt. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH muss ein Anwalt seinen Anwaltsberuf in einem, wenn auch beschränkten oder doch irgendwie nennenswerten Umfang und jedenfalls mehr als bloß gelegentlich ausüben können.

In der Einschränkung, seine Arbeitsstätte verlassen zu dürfen, wenn dies „im Einzelfall“ erforderlich sei, sah der Anwaltsgerichtshof eine Beschränkung begründet, die es dem Anwalt nicht ermögliche, im Rahmen des erforderlichen Freiraums seine Anwaltstätigkeit tatsächlich unabhängig zu gestalten.
 

Hinweis:

Wenn ein Rechtsanwalt ein Beschäftigungsverhältnis eingeht oder eine wesentliche Änderung des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses eintritt, hat er dies gem. § 56 Abs. 2 Nr. 1 BRAO der Rechtsanwaltskammer unverzüglich anzuzeigen.

BRAO §§ 43 a Abs. 5, 114 Abs. 1 Nr. 4; BORA § 4

Unterlassene Weiterleitung von Fremdgeld

Niedersächsischer AnwGH, Urteil vom 21.01.2008 – AGH 1/07
Fundstelle: NJW-Spezial 2008, S. 479

 

Ein Verstoß gegen die Pflicht, fremde Gelder unverzüglich an den Mandanten weiterzuleiten, hat regelmäßig die Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft zur Folge. Nur ausnahmsweise kann auf ein Vertretungs- und Beistandsverbot nach § 114 I Nr. 4 BRAO erkannt werden.²

Leitsatz des Gerichts

BRAO §§ 51 VI 2, 223

Rechtsweg – Auskunft über die Berufshaftpflichtversicherung

AnwGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 08.01.2008 – AGH 34/07 = BeckRS 2008, 04776
Fundstelle: NJW-Spezial 2008, S. 22

Ist der von einem Mandanten geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der Auskunft über die Berufshaftpflichtversicherung seines Anwalts nach dessen Geltendmachung eines schutzwürdigen Interesses an der Nichterteilung dieser Auskunft abgelehnt worden, ist ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor dem AnwGH unzulässig.

 

Leitsatz des Gerichts

 

 

 

BORA § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 b); BRAO § 43; BGB § 138 Abs. 1

Angemessenheit eines anwaltlichen Grundgehalts

AGH NW, Beschl. v. 02.11.2007 – 2 ZU 7/07
noch nicht rechtskräftig
noch nicht veröffentlicht

Ein anwaltliches Grundgehalt von nicht über € 1.000,00 brutto monatlich ist sittenwidrig im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB und unangemessen im Sinne von § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 b) BORA i. V. m.  § 43 BRAO.3

 

3 Leitsatz des Verfassers des KammerReports

Anmerkung:

RA X bot anwaltlichen Berufseinsteigern ein zweijähriges Traineeprogramm in seiner Kanzlei per Stellenanzeige an. Im Rahmen der Tätigkeit sollte der Trainee die Assistenz in einem anwaltlichen Dezernat übernehmen. Hierzu sollte er zunächst anstelle einer Rechtsanwaltsfachangestellten in die Dezernatsführung einbezogen werden und sich aus dieser Rolle heraus zunehmend selbstständig entwickeln um später die eigenständige Bearbeitung von Fällen zu übernehmen. Als Grundvergütung sollte ein Gehalt gezahlt werden, das „ein wenig über dem Referendargehalt“, also bei knapp € 1.000,00, lag.

Die Rechtsanwaltskammer Hamm hatte dem RA X einen belehrenden Hinweis erteilt, da sie dieses Angebot für berufsrechtswidrig gemäß §§ 43 BRAO, 26 BORA hielt. Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der AGH NW mit der benannten Entscheidung zurückgewiesen.

In seinen Gründen geht der AGH davon aus, dass RA X in seiner Stellenanzeige nicht nur, wie von diesem behauptet, eine Ausbildungsstelle, sondern eine Anstellung als junger Rechtsanwalt unter den üblichen Bedingungen der Einarbeitung als Berufsanfänger anbiete. Das hierfür offerierte Gehalt von rund € 1.000,00 brutto monatlich sei sittenwidrig im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB und unangemessen im Sinne von § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 b) BORA i. V. m. § 43 BRAO. Dabei geht der AGH unter näherer Erläuterung von einem Richtmaß für das Einstiegsgehalt eines Rechtsanwalts ohne besondere Spezialisierung, ohne besondere Zusatzqualifikation, ohne Prädikatsexamen und bei Vollzeitstelle von mindestens € 2.300,00 brutto monatlich aus.

Der AGH hat die sofortige Beschwerde zum BGH zugelassen, die auch erhoben wurde.

 

Seite 9 von 12