BRAO § 43 b; BORA § 7 I, II; UWG § 4 Nr. 11

Zulässige Anwaltswerbung mit Spezialisierung - Spezialist für Familienrecht

BGH, Urteil vom 24.07.2014 - I ZR 53/13

Fundstelle: NJW 2015, S. 704 ff.

1.

Entsprechen die Fähigkeiten eines Rechtsanwalts, der sich als Spezialist auf einem Rechtsgebiet bezeichnet, für das eine Fachanwaltschaft besteht, den an einen Fachanwalt zu stellenden Anforderungen, besteht keine Veranlassung, dem Rechtsanwalt die Führung einer entsprechenden Bezeichnung zu untersagen, selbst wenn beim rechtsuchenden Publikum die Gefahr einer Verwechslung mit der Bezeichnung „Fachanwalt für Familienrecht“ besteht.

2.

Der sich selbst als Spezialist bezeichnende Rechtsanwalt trägt für die Richtigkeit seiner Selbsteinschätzung die Darlegungs- und Beweislast.

Leitsatz des Gerichts

BRAO §§ 43, 50 Abs. 2; BGB §§ 675, 667

Berufsrechtliche Pflicht zur Herausgabe einer Handakte

BGH, Urteil vom 03.11.2014 - AnwSt (R) 5/14

Fundstelle: NJW-Spezial 2015, S. 30 f.

 

Der BGH hat klargestellt, dass ein Anspruch auf Herausgabe einer Handakte nicht allein zivilrechtlich begründet werden kann, sondern auch eine Berufspflicht verletzt wird, wenn die Herausgabe der Handakten ungerechtfertigt verweigert wird.

Leitsatz des Autors des NJW-Spezial

BRAO §§ 43 b, 73 II Nr. 1, 4, 112 a, 112 c; VwGO § 42 I; BORA § 6 I

Anwaltliche Schockwerbung auf Kaffeetassen

BGH, Urteil vom 27.10.2014 - AnwZ (Brfg) 67/13

Fundstelle: NJW 2015, S. 72 ff.

1.

Geht der Bescheid einer Rechtsanwaltskammer über rein präventive Auskünfte hinaus, indem darin die Rechtswidrigkeit einer beabsichtigten Maßnahme festgestellt und ein konkretes Verbot ausgesprochen wird, ist dieser Bescheid als Verwaltungsakt anfechtbar.

2.

Die Grenze zulässiger anwaltlicher Werbung ist überschritten, wenn sie darauf abzielt, durch ihre reißerische und / oder sexualisierende Ausgestaltung die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen, mit der Folge, dass der Informationswert in den Hintergrund gerückt wird oder gar nicht mehr erkennbar ist.

Leitsatz des der Redaktion der NJW

FAO §§ 14 a, 14 d Nr. 2

Praktische Erfahrungen für die Fachanwaltschaft für Verkehrsrecht

BGH, Urteil vom 27.10.2014 - AnwZ (Brfg) 85/13

Fundstelle: NJW-Spezial 2014, S. 767

Für den Nachweis praktischer Erfahrungen auf dem Gebiet des Verkehrsrechts können nur solche versicherungsrechtlichen Fälle verwertet werden, die einen Bezug zum Straßenverkehr aufweisen.

Leitsatz des Autors der NJW Spezial

BRAO §§ 14 III Nr. 3, 29 a II, 30 I, II

Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten

BGH, Beschluss vom 23.07.2014 - AnwZ (Brfg) 45/13

Fundstelle: NJW-Spezial 2014, S 670 f.

Ist ein Anwalt von der Pflicht befreit worden, in Deutschland eine Kanzlei zu unterhalten, muss er seiner Rechtsanwaltskammer zwingend einen Zustellungsbevollmächtigten benennen, der im Inland wohnt oder dort einen Geschäftsraum hat.

Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

ZPO §§ 85 II, 233; BRAO § 50 V

Anwaltspflichten bei ausschließlich elektronischer Aktenführung

BGH, Beschluss vom 09.07.2014 - XII ZB 709/13

Fundstelle: NJW 2014, S. 3102 ff.

1.

Wird die Handakte eines Rechtsanwalts allein elektronisch geführt, muss sie ihrem Inhalt nach der herkömmlich geführten entsprechen. Sie muss insbesondere zu Rechtsmittelfristen und deren Notierung ebenso wie diese verlässlich Auskunft geben können und darf keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als ihr analoges Pendant.

2.

Der Rechtsanwalt, der im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung - hier der Einlegung der Beschwerde - mit einer Sache befasst wird, hat dies zum Anlass zu nehmen, die Fristvermerke in der Handakte zu überprüfen. Auf welche Weise (herkömmlich oder elektronisch) die Handakte geführt wird, ist hierfür ohne Belang.

Leitsatz des Gerichts

BORA §§ 8, 9

Irreführender Hinweis auf Kooperation

BGH, Urteil vom 06.11.2013 - I ZR 147/12 Fundstelle: NJW-Spezial 2014, S. 319

Üben Anwälte ihren Beruf mit einem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater lediglich im Rahmen einer Kooperation aus, dürfen sie keine Kurzbezeichnung verwenden, die eine gemeinsame Berufsausübung suggeriert.

Leitsatz des Autors der NJW Spezial

 

BRAO § 53 I, II 1, 2

Verschuldete Fristversäumnis wegen Erkrankung

BGH, Beschluss vom 05.03.2014 – XII ZB 736/12 Fundstelle: NJW-Spezial 2014, S. 286

 

Ein Anwalt ist stets verpflichtet, im Hinblick auf einen plötzlichen krankheitsbedingten Ausfall für eine Vertretung zu sorgen.

 

Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

BORA § 28; VwVfG § 29

Recht auf Einsicht in die Ausbildungsakte

BGH, Urteil vom 10.03.2014 – AnwZ (Brfg) 67/12 Fundstelle: NJW-Spezial 2014, S. 351

Ein Anwalt hat das Recht auf Einsicht in die von seiner Rechtsanwaltskammer geführte Ausbildungsakte seiner ehemaligen Auszubildenden, wenn er ein berechtigtes Interesse darlegen kann.

Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

BRAO § 43 c Abs. 4 S. 2; FAO § 15

Verstoß eines Fachanwalts gegen seine Fortbildungspflicht

BGH, Beschluss vom 05.05.2014 – AnwZ (Brfg) 76/13

1. Unterbleibt die kalenderjährlich zu leistende Fortbildung, kann sie nicht im Folgejahr nachgeholt werden. Die Verletzung der Fortbildungspflicht, die Tatbestandsvoraussetzung für die Befugnis der Rechtsanwaltskammer zum Widerruf ist, steht vielmehr unumkehrbar fest.

2. Eine einmalige Verletzung der Fortbildungspflicht führt nicht zwingend zum Widerruf der Erlaubnis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung. Die Rechtsanwaltskammer entscheidet über den Widerruf nach pflichtgemäßem Ermessen. Hierbei sind alle Umstände des Einzelfalls, so z. B. eine aufgrund Erkrankung unverschuldete Versäumnis der Fortbildung, zu berücksichtigen.

3. Es liegt im Rahmen der pflichtgemäßen Entscheidung der Kammer, wenn sie bei der erstmaligen Verletzung der Fortbildungspflicht vom Widerruf zunächst absieht und dem Anwalt die Möglichkeit gibt, durch verstärkte Fortbildung im laufenden Jahr eine Sanktionierung der einmaligen Pflichtverletzung im zurückliegenden Jahr zu vermeiden.

Leitsatz des Verfassers

Anmerkung:

Passend zur neu entflammten Diskussion um die Konkretisierung und Sanktionierung der allgemeinen Fortbildungspflicht gem. § 43 a Abs. 6 BRAO, hat der BGH mit der vorstehenden Entscheidung die Bedeutung und Notwendigkeit einer laufenden jährlichen Weiterbildung von Fachanwälten zur durchgängigen Qualitätssicherung nochmals betont.

Vor einem von der Erwartung, die Rechtsanwaltskammer werde schon eine angemessene Frist zur Nachholung der im Vorjahr versäumten Fortbildung gewähren, getragenen Schlendrian kann daher nur gewarnt werden. Der BGH stellt ausdrücklich fest, dass für eine Nachholung grundsätzlich kein Raum ist. Zwar rechtfertigt, so das Gericht, die erstmalige Verletzung der Fortbildungspflicht den Widerruf noch nicht. Man kann den BGH aber durchaus so verstehen, dass es mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu vereinbaren sein wird, zu widerrufen, wenn auch eine aufgrund der Lücke im engen zeitlichen Zusammenhang im nachfolgenden Jahr aufgegebene zusätzliche Fortbildung nicht geleistet wird. Entsprechendes wird gelten, wenn im Folgejahr zwar die zusätzliche Fortbildung absolviert wird, erneut aber nicht die hiervon selbstverständlich unberührt bleibende Mindeststundenzahl dieses Jahres.

Offen gelassen hat das Gericht, ob – wie teils in der Kommentarliteratur vertreten – eine einmalige Verletzung der Fortbildungspflicht aus Verhältnismäßigkeitsgründen zunächst mit einer Rüge statt dem Widerruf zu ahnden ist. Hierauf kam es nach Auffassung des BGH nicht an, da ein Widerruf ohne vorausgegangene Rüge jedenfalls bei einer Verletzung der Fortbildungspflicht in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren, wie im zu entscheidenden Fall, nicht unverhältnismäßig sei. Nimmt man die vom BGH als Normzweck des § 15 FAO herausgestellte Qualitätssicherung ernst, erscheint aber schon zweifelhaft, ob eine Rüge überhaupt als geeignetes Sanktionsinstrument angesehen werden kann.

Für Kolleginnen und Kollegen, die meinen, Jahr für Jahr auch das erste oder sogar zweite Quartal des Folgejahres für ihre kalenderjährliche Fortbildung in Anspruch nehmen zu können, wird es zukünftig also eng.

RA Stefan Peitscher, Hauptgeschäftsführer

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