Zu langer Dateiname eines per beA übermittelten Schriftsatzes?
BVerfG Beschluss vom 16.2.2023 - 1 BvR 1881/21 = BeckRS 2023, 6331
Fundstelle: NJW-Spezial 2023, S. 350

Das BVerfG hat klargestellt, dass Gerichte mittels des beA eingereichte Schriftsätze auch dann berücksichtigen müssen, wenn diese wegen eines zu langen Dateinamens vom Gericht nicht verarbeitet werden konnten.

Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

 

BRAO § 59i I
Berufsausübungsgesellschaften als Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft
BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats), Beschluss vom 04.08.2022 - 1 BvR 1072/17
Fundstelle: NJW 2022, S. 3146

Im Wortlaut des seit dem 01.08.2022 in Kraft befindlichen § 59i I 1 BRAO lassen sich keine Anhaltspunkte dafür finden, dass eine aus Rechtsanwälten bestehende Berufsausübungsgesellschaft nicht Alleingesellschafterin einer anderen Berufsausübungsgesellschaft sein kann.

Leitsatz der Redaktion

GG Art. 12 I; StGB §§ 70, 133 I, 274 I Nr. 1; StPO § 132a
Verletzung der Berufsfreiheit eines Anwalts durch vorläufiges Berufsverbot
BVerfG (3. Kammer des Ersten Senats), Beschluss vom 2.7.2020 -1 BvR 1627/19
Fundstelle: NJW 2020, S. 3709

 

  1. Die gesetzliche Grundlage für ein vorläufiges Berufsverbot in § 132 a StPO, die dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter dient genügt den Anforderungen des Grundrechts auf freie Berufswahl (Art. 12 I GG).
  2. Voraussetzung für ein vorläufiges Berufsverbot gem. § 132 a StPO ist, dass die Anordnung erforderlich ist, um bereits vor rechtskräftigem Abschluss des Hauptverfahrens konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter abzuwehren, die aus der Berufsausübung resultieren können. Die Gefahrenlage sowie Notwendigkeit und Angemessenheit des vorläufigen Berufsverbots hat das Fachgericht darzulegen und zu erörtern. Auch im Rahmen der nur summarischen Prüfung ohne erschöpfende  Aufklärung des Sachverhalts bedarf es einer Darlegung der den dringenden Verdacht einer Straftat im Sinne des § 70 StGB begründeten Tatsachen (im Anschluss an BVerfGE 44, 105 [118ff.] = NJW 1977, 892; BVerfGE 48, 292 [298] = NJW 1978, 1479; BVerfGK 7, 110 = BeckRS 2005, 32816).
  3. Zur Frage, ob die Nichtherausgabe einer Prozessbürgschaftsurkunde und die fehlende Rücksendung von (drei) Gerichtsakten durch einen Rechtsanwalt als mögliche Anlasstaten der Urkundenunterdrückung (§ 274 I Nr. 1 StGB) und des Verwahrungsbruchs (§ 133 StGB) ein vorläufiges Berufsverbot nach § 132 a StGB rechtfertigen können.

Leitsatz der Redaktion

 

 

GG Art. 12 I; BRAO § 31 a VI; ZPO § 174 III; BVerfGG §§ 23 I 2, 92

Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Einführung des beA

BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats), Beschluss vom 20.12.2017 – 1 BvR 2233/17

Fundstelle: NJW 2018, S. 288

1.    Bei den Normen über das besondere elektronische Anwaltspostfach handelt es sich um bloße Berufsausübungsregelungen.

2.    Eine den Begründungsanforderungen der §§ 23 I 2, 92 BVerfGG genügende, auf eine Verletzung des Art. 12 I GG gestützte Verfassungsbeschwerde gegen die Regelungen über das besondere elektronische Anwaltspostfach muss substanziiert darlegen, dass die gesetzgeberischen Ziele der Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs, der Schaffung einer rechtssicheren und schnellen Kommunikation mit den Gerichten sowie einer Kostenreduktion bezüglich Porto- und Druckkosten keine spezifischen berufsbezogenen Gemeinwohlgründe sind oder dass die Regelungen unverhältnismäßig sind.

 

Leitsatz der Redaktion der NJW

 

 

BRAO § 7 Nr. 5

Unzureichende Abwägung bei der Versagung einer Zulassung

BVerfG, Beschluss vom 22.10.2017 - 1 BvR 1822/16

Fundstelle: NJW Spezial 2018, S. 30

Vor der Versagung einer Zulassung wegen Unwürdigkeit hat die Rechtsanwaltskammer eine sorgfältige einzelfallbezogene Abwägung vorzunehmen, ob das Fehlverhalten wirklich geeignet ist, das Vertrauen in die Integrität der Anwaltschaft zu beeinträchtigen und diese Beeinträchtigung die grundrechtlichen  Belange des Antragstellers überwiegt.

 

Leitsatz des Autors der NJW Spezial

 

BRAO §§ 164, 168 II; BVerfGG §§ 92, 93 a II; GG Art. 12 I

Auswahlverfahren für die Zulassung als Rechtsanwalt beim BGH

BVerfG, Beschluss vom 13.06.2017 - 1 BvR 1370/16

Fundstelle: NJW 2017, S. 2670 f.

Dem BGH als Wahlprüfungsgericht ist es mit Rücksicht auf den ausschließlich dem Wahlausschuss für Rechtsanwälte bei dem BGH zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraum grundsätzlich nicht möglich, eine eigene Prognose der Erfolgsaussichten der Bewerbung vorzunehmen und einen besser geeigneten Bewerber zu bestimmen. Er kann nur überprüfen, ob die Auswahl des betreffenden Bewerbers nach rechtsfehlerfreier Beurteilung und unter Einhaltung der Auswahlkriterien vertretbar erscheint.

 

Leitsatz des Gerichts

 

 

 

BRAO §§ 46 a, c; SGB VI §§ 6 I, 231 IV b, c; BVerfGG § 34 a III

Verfassungsbeschwerde eines Syndikus gegen Ablehnung der Befreiung von der DRV

BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats), Beschluss vom 19.07.2016 - 1 BvR 2584/14

Fundstelle: NJW 2016, S. 2731 ff

1.    Nach Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung zum Recht der Syndikusanwälte (BGBl. I 2015, 2577) kommt der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu (§ 93 a II Buchst. a BVerfGG). Sie ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, denn das schutzwürdige Interesse des Beschwerdeführers, die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung durch das BVerfG feststellen zu lassen, ist infolge der zum 1.1.2016 in Kraft getretenen Rechtsänderung entfallen.

 

2.    Auch aus dem vom Beschwerdeführer verfolgten Ziel, in zeitlicher Hinsicht eine möglichst weitgehende Anerkennung seines Befreiungsantrags zu erreichen, folgt kein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis. Der Beschwerdeführer ist unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde vielmehr gehalten, im fachgerichtlichen Verfahren eine rückwirkende Befreiung gem. § 231 IV b S. 1 und 2 SGB VI geltend zu machen, was ihm auch zuzumuten ist.

 

3.    Rechtsanwälte, die auf ein Rundschreiben der Deutschen Rentenversicherung vom 12.12.2014 zur Umsetzung der Rechtsprechung des BSG vom 3.4.2014 (NZA 2015, 29) reagiert und im Vertrauen darauf, dass ihnen dadurch keine Rechtsnachteile entstehen, ihre Befreiungsanträge zurückgenommen haben, sollen so zu behandeln sein, als wenn ihnen eine bestandskräftige Befreiung erteilt worden wäre. § 231 IVb 5 SGB VI wird also im sozialrechtlichen Schrifttum nicht als starre Ausnahmeregelung begriffen, sondern in bestimmten Fallgestaltungen werden Durchbrechungen erwogen. Hierauf werden die· Fachgerichte auch mit Blick auf die prozessuale Situation des jeweiligen Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt einer möglichen teleologischen Reduktion Rücksicht zu nehmen haben.

 

Leitsatz der Redaktion NJW

 

 

GG Art. 5 I; StGB §§ 185, 193

Einordnung der Äußerung eines Rechtsanwalts als Schmähkritik

BVerfG (3. Kammer des Ersten Senats), Beschluss vom 29.06.2016 - 1 BvR 2646/15

Fundstelle: NJW 2016, S. 2870 ff

1.    Ein Rechtsanwalt ist grundsätzlich nicht berechtigt, aus Verärgerung über von ihm als falsch angesehene Maßnahmen einer Staatsanwältin oder eines Staatsanwalts diese gerade gegenüber der Presse mit Beschimpfungen zu überziehen. Insoweit muss sich im Rahmen der Abwägung grundsätzlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen durchsetzen.

 

2.    Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.

 

3.    Die Annahme, die Bezeichnung der mit dem Ermittlungsverfahren betrauten Staatsanwältin gegenüber einem Journalisten als „dahergelaufene Staatsanwältin“, „durchgeknallte Staatsanwältin“, „widerwärtige, boshafte, dümmliche Staatsanwältin“ und „geisteskranke Staatsanwältin“ durch einen Strafverteidiger stelle eine Schmähkritik dar, bedarf in Auseinandersetzung mit der Situation näherer Darlegungen, dass sich die Äußerungen von dem Ermittlungsverfahren völlig gelöst hatten oder der Verfahrensbezug nur als mutwillig gesuchter Anlass oder Vorwand genutzt wurde, um die Staatsanwältin als solche zu diffamieren.

 

Leitsatz der Redaktion der NJW

GG Art 3 Abs. 1, 12 Abs. 1; StPO § 146 S.

Unzulässige Mehrfachverteidigung?

BVerfG, Beschluss vom 25.02.2016 - 1 BvR 1042/15

Fundstelle: NJW-Spezial 2016, S. 255

 

Legitimer Zweck des Verbots der Mehrfachverteidigung ist es, Interessenkollisionen zu vermeiden, um die Beistandsfunktion eines Verteidigers nicht zu beeinträchtigen.1

 

 

Leitsatz des Autors der NJW Spezial

GG Art. 12 Abs. 1; BRAO § 59 a Abs. 1 S. 

Verbot der PartG von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern ist verfassungswidrig

BVerfG, Beschl. v. 12.01.2016 – 1 BvL 6/13 Fundstelle: NJW-Spezial 2016, S. 127

§ 59 a Abs. 1 S. 1 BRAO ist mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig, soweit Rechtsanwälten untersagt wird, sich mit Ärzten und Apothekern zur Ausübung ihrer Berufe zu einer Partnerschaftsgesellschaft zusammenzuschließen.

Leitsatz des Gerichts

Anmerkung:

Der Gesetzgeber hat in § 59 a Abs. 1 BRAO den Zusammenschluss von Rechtsanwälten mit Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer und der Patentanwaltskammer, mit Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen der eigenen beruflichen Befugnisse erlaubt. Das BVerfG stellt in seinem Beschluss nunmehr fest, dass eine interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Rechtsanwälten und Ärzten und Apothekern keine so wesentlichen zusätzlichen Risiken für die Einhaltung der anwaltlichen Berufspflichten birgt, dass diese eine unterschiedliche Behandlung gegenüber den zugelassenen Berufsgruppen rechtfertige.

BORA § 12

Umgehungsverbot gilt auch für anwaltlichen Insolvenzverwalter

BVerfG, Beschluss vom 28.10.2015 – 1 BvR 2400/15

Fundstelle: NJW-Spezial 2016, S. 30 f.

Das BVerfG hat eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des BGH nicht zur Entscheidung angenommen, mit dem dieser klargestellt hatte, dass das Umgehungsverbot auch für einen Anwalt gilt, der zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist und für die verwaltete Masse eine Forderung geltend macht.

Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

Anmerkung:

Die Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen das Urteil des BGH vom 06.07.2015, AnwZ (Brfg) 24/14 (siehe KammerReport 5/2015, S. 23).

GG Art. 5 I 1 u. 3, II, III 1, 12 I; BRAO § 43 b; BORA § 6 I

Schockwerbung durch Rechtsanwälte – Werbetassen

BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats), Beschluss vom 05.03.2015 - 1 BvR 3362/14

Fundstelle: NJW 2015, S. 1438 ff.

Das auf § 43 b BRAO gestützte Verbot einer reißerischen und / oder sexualisierenden Werbung durch einen Rechtsanwalt (hier: bildliche Darstellungen von Schlägen auf das nackte Gesäß eines Kindes und einer Frau sowie des Haltens einer Schusswaffe an den Kopf auf Werbetassen) kann mit den Grundrechten der Meinungsfreiheit (Art. 5 I 1 GG), der Kunstfreiheit (Art. 5 III 1 GG) und der Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 I GG) vereinbar sein.

Leitsatz der Redaktion der NJW