EstG § 9 Abs. 1 S. 1
Strafverteidigungskosten als Werbungskosten
BFH, Beschluss vom 31.03.2022 - VI B 88/21
Fundstelle AGS 2022, S. 333 f.

  1. Strafverteidigungskosten sind dann als Werbungskosten abziehbar, wenn der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, durch sein berufliches Verhalten veranlasst ist.

  2. Der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, betrifft grds. die konkrete Tat, aufgrund der die Strafverteidigungskosten angefallen sind.

Leitsatz der Schriftleitung der AGS

§ 42 Abs. 2, 114, 115, 118 Abs. 2 Satz 2 ZPO; §§ 76 Abs. 1, 86, 142 FGO; § 35 SGB I;§ 67d Abs. 15GB X
Ermittlungsbefugnis des Gerichts im PKH-Verfahren
BFH, Beschl. v. 28.5.2020 - X S 38/19 (PKH)
Fundstelle: RVGreport 2020, S. 475

 

  1. Vermeintliche Verfahrensverstöße oder sonstige Rechtsfehler eines Richters stellen grundsätzlich keinen Grund für die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit dar. Etwas anderes gilt nur, wenn zusätzlich Gründe dargelegt werden, die dafür sprechen, dass der Fehler auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ihn ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht.
  2. Wenn ein PKH-Antragsteller unzureichende Angaben über seine Renteneinnahmen macht, ist das für die Bewilligung der PKH zuständige Gericht befugt, den Rentenversicherungsträger um Auskunft zur Höhe der bezogenen Rente zu ersuchen. Ob das Sozialgeheimnis der Auskunftserteilung entgegensteht, hat weder das ersuchende Gericht noch der ersuchte Rentenversicherungsträger zu entscheiden, sondern die oberste Aufsichtsbehörde des Rentenversicherungsträgers (§ 86 Abs. 2 FGO).

Leitsatz des Gerichts

 

 

GKG KV Nr. 6502

Mehrfacher Anfall der Verfahrensgebühr

BFH, Beschluss vom 30.11.2017 - X E 12/17

Fundstelle: RVGreport 2018, S. 112 f.

 

Legt der Kostenschuldner in einem einzigen Schriftsatz gegen mehrere Entscheidungen gebührenpflichtige Beschwerden ein und entscheidet das Beschwerdegericht hierüber in einer einzigen Beschwerdeentscheidung, so fällt die gerichtliche Verfahrensgebühr (hier nach Nr. 6502 GKG KV) mehrfach an.

 

Leitsatz des Verfassers des RVGreports

ZPO §§ 103 ff.; BGB §§ 387, 406; FGO § 152; AO § 226

Aufrechnung des Finanzamts mit einem Steueranspruch gegen einen Kostenerstattungsanspruch; maßgeblicher Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung

BFH, Beschluss vom 16.03.2016 - VII B 102/15

Fundstelle: RVGreport 2016, S. 265 f.

 

 

1.    Das Finanzamt kann grundsätzlich nach § 226 AO mit einem Steueranspruch gegen einen Kostenerstattungsanspruch des Steuerpflichtigen aufrechnen.6

 

2.    Eine Aufrechnung des Finanzamtes mit einem Steueranspruch ist ab Erlass der Kostengrundentscheidung und damit bereits vor dem Erlass des darauf beruhenden Kostenfestsetzungsbeschlusses zulässig.

 

Leitsatz des Verfassers des RVGreports

 

FGO § 142; ZPO § 117 Abs. 4; PKHFV § 2 Abs. 2

Vereinfachte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Bezug von laufenden Leistungen nach dem SGB XI

BFH, Beschluss vom 08.03.2016 -·V S 9/16 (PKH)

Fundstelle: RVGreport 2016, S. 268 f.

 

 

1.    Die den PKH-Antrag stellende Partei muss die Abschnitte E bis J des amtlichen Formulars für die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nur dann nicht ausfüllen, wenn sie laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII bezieht und einen entsprechenden Bewilligungsbescheid vorlegt.

 

2.    Bezieht die den Antrag stellende Partei hingegen Leistungen nach dem SGB II, kann sie keine vereinfachte Erklärung nach § 2 Abs. 2 PKHFV abgeben, da diese Vorschrift nicht entsprechend anwendbar ist.

 

Leitsatz des verfassers des RVGReports

 

GKG § 53 Abs. 2 Nr. 2, 39
Streitwert in AdV-Verfahren

BFH, Beschl. v. 6.9.2012 - VII E 12/12

Fundstelle: AGS 2014, S. 131 f.

1.
Im finanzgerichtlichen AdV-Verfahren beträgt der Streitwert 10 v.H. des Betrages, dessen Aussetzung begehrt wird.
2.
§ 39 Abs. 2 GKG ordnet eine typisierende Begrenzung des Streitwerts auf 30 Mio. EUR an, die unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden ist.

3.
Ein solcher Streitwert ist auch in Verfahren anzusetzen, bei denen es um die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids geht, mit dem Ansprüche in Höhe von mindestens 300 Mio. EUR geltend gemacht werden.

4.
Dabei ist es verfahrens- und kostenrechtlich hinzunehmen, dass sich ab einem solchen Streitwert der auf 30 Mio. EUR begrenzte Streitwert des Hauptsacheverfahrens und der Streitwert des AdV-Verfahrens entsprechen.

Leitsatz der Schriftleitung der AGS


RVG § 1 Abs. 1; EStG §§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 18 Abs. 1 Nr. 1 und 3

Abgrenzung zwischen Anwalts- und Inkassotätigkeit

BFH, Beschl. v. 20.08.2012 – III B 246/12 Fundstelle: RVGreport 2013, S. 122 f.

 

  1. Das massenhafte und vollautomatisierte Versenden außergerichtlicher Mahnschreiben durch eine von einem Rechtsanwalt eingerichtete Datenverarbeitungsanlage stellt keine anwaltliche Tätigkeit dar, die nach dem RVG abzurechnen wäre.

  2. Ein Rechtsanwalt, der mittels Büroorganisation massenhaft vollautomatisiertes außergerichtliches Inkasso betreibt, ohne die einzuziehenden Forderungen rechtlich zu prüfen, erzielt insoweit keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 EStG, sondern solche aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG.


    Leitsatz des Verfassers des RVG Reports
   Der in § 52 Abs. 4 GKG bestimmte Mindeststreitwert von 1.000,00 EUR im Finanzgerichtsprozess ist auch für die Berechnung der Anwaltsvergütung maßgeblich.(Leitsatz des Verfassers des RVGreports)

GKG § 52 Abs. 4; RVG §§ 23 Abs. 1 S. 1, 32 Abs. 1 und 2

Mindeststreitwert auch für Gegenstandswert maßgeblich

BFH, Beschl. v. 29.09.2010 – VI S 6/10 Fundstelle: RVGreport 2011, S. 73

 

 

Der in § 52 Abs. 4 GKG bestimmte Mindeststreitwert von 1.000,00 EUR im Finanzgerichtsprozess ist auch für die Berechnung der Anwaltsvergütung maßgeblich.(Leitsatz des Verfassers des RVGreports)

Gebührenforderungen von Rechtsanwälten unterliegen grundsätzlich der Pfändung. Die in § 49 b IV BRAO normierte Einschränkung der Abtretung solcher Forderungen führt nicht zu einer Unübertragbarkeit i. S. von § 851 I ZPO. Aufgrund von rückständigen Steuerschulden erließ das Finanzamt Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, mit denen anwaltliche Honorarforderungen gepfändet und die Einziehung dieser Forderungen angeordnet wurden. Dem Antrag, gemäß §§ 69 Abs. 4 FGO die Vollziehung der Verwaltungsakte auszusetzen, gab das FG statt. Nach Ansicht des BFH zu Unrecht, da ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte bei der im Verfahren die Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung nicht anzunehmen seien. Vielmehr sei von einer Pfändbarkeit der Honorarforderungen aus anwaltlicher Tätigkeit auszugehen. Nach der Rechtsprechung des BGH begründe die in § 49 b Abs. 4 Satz 2 BRAO normierte Einschränkung der Abtretung nicht zugleich eine Unübertragbarkeit im Sinne von § 851 Abs. 1 ZPO (BGHZ 141, 173 = NJW 1999, 1.544, sowie BGH, NJW-RR 2004, 54) die einer Pfändung entgegenstehe. Denn § 851 Abs. 1 ZPO beziehe sich nur auf Fälle, in denen die Unübertragbarkeit auf einem Abtretungsverbot oder dem Umstand beruhe, dass der Gläubigerwechsel zu einer Änderung des Leistungsinhalts oder zu einer Vereitelung einer rechtlich gesicherten Zweckbindung führe. Dagegen könne in Fällen, in denen eine Abtretung – wie in § 49 b Abs. 4 Satz 2 BRAO – nur unter bestimmten Voraussetzungen gestattet werde, erst eine Auslegung des beschränkenden Gesetzes ergeben, ob es sich zwingend auch gegen eine Pfändbarkeit richte. Ausweislich der Gesetzesbegründung solle mit der grundsätzlichen Untersagung der Abtretung von nicht titulierten Gebührenansprüchen an Personen, die nicht einer Rechtsanwaltskammer angehören, die Beachtung der beruflichen Verschwiegenheitspflichten auch bei der Durchsetzung von Honorarforderungen sichergestellt werden (BT-Dr 12/4993, S. 31). Denn gemäß § 402 BGB sei der bisherige Gläubiger verpflichtet, dem neuen Gläubiger die zur Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen. Im Gegensatz zur Abtretung einer Forderung begebe sich der bisherige Gläubiger bei einer Forderungspfändung aber nicht freiwillig in eine drohende Pflichtenkollision, deren Vermeidung in sein Belieben gestellt wäre. Vielmehr werde dem Vollstreckungsschuldner in Folge der Pfändung und Überweisung einer Forderung gemäß § 836 Abs. 3 ZPO eine gesetzlich angeordnete Auskunftspflicht auferlegt. Auf die uneingeschränkte Preisgabe von schutzwürdigen persönlichen Daten des Mandanten erstrecke sie sich aber nicht. Allerdings könne der Gläubiger im Verfahren nach § 807 Abs. 1 ZPO Angaben zur gepfändeten Forderung erzwingen. Sie beschränkten sich aber lediglich auf Namen und Anschrift des Drittschuldners, den Grund der Forderung und die Beweismittel. Hinter der umfassenden Informationspflicht aus § 402 BGB blieben die Anforderungen der gesetzlich angeordneten Offenbarungspflicht weit zurück. Das überwiegende Schrifttum sowie die Rechtsprechung würden in § 807 ZPO einen Rechtfertigungsgrund sehen, der die Offenbarung nicht als unbefugt im Sinne von § 203 Abs. 1 StGB erscheinen lasse. Im Rahmen der summarischen Prüfung könne der Senat die Frage unbeantwortet lassen, ob durch Befolgung der gesetzlichen Offenbarungspflicht auch weitergehende Angaben – evtl. in einem Verfahren nach 836 Abs. 3 ZPO – gerechtfertigt sein könnten, so dass die Preisgabe dieser Informationen ebenfalls nicht als unbefugt im Sinne von § 203 Abs. 1 StGB anzusehen wäre.
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